Spionage-Affäre erschüttert Renault
Hochrangige Mitarbeiter sollen geheime Informationen über das Elektroauto-Programm weitergegeben haben.
Paris. Monatelang hatten konzerneigene Fahnder des Autobauers Renault ermittelt, dann ging alles ganz schnell. In einer bisher einzigartigen Aktion setzte der zweitgrößte französische Hersteller mit sofortiger Wirkung drei ranghohe Führungskräfte vor die Tür. Die Männer werden der schweren Industriespionage verdächtigt. Ausgerechnet sensible Informationen über das Elektroauto- Programm sollen in fremde Hände gelangt sein.
„Die Mitarbeiter haben bewusst und absichtlich das Unternehmen in Gefahr gebracht“, teilte Konzernjurist Christian Husson am Donnerstag in einer knappen Erklärung mit.
Für den Autobauer ist der Fall ein äußerst unangenehmer Schlag mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen. Renault setzt große Hoffnungen in das Elektrofahrzeug-Geschäft und hat zusammen mit seinem Allianzpartner Nissan bereits rund vier Milliarden Euro in die Zukunftstechnologie investiert. Gemeinsam wollen sie Weltmarktführer im Bereich der batteriebetriebenen Fahrzeuge werden. „Wir haben das Gefühl, uns in einem Alptraum zu befinden“, zitierte die Zeitung „Le Figaro“ einen Renault-Mitarbeiter.
Details zur Affäre hält die Führung des Unternehmens bislang streng unter Verschluss. Weder zur Identität der betroffenen Führungskräfte, noch zu den genauen Vorwürfen will man sich äußern. Nach französischen Medienberichten soll unter den drei Spionen jedoch sogar ein Mitglied des knapp 30-köpfigen Direktoriums unter Konzernchef Carlos Ghosn sein. Dieser, ein 56 Jahre alter Ingenieur, arbeitete bereits seit 1980 im Unternehmen. Zuletzt war er für strategische Zukunftsprojekte verantwortlich.
Über den oder die Abnehmer der geheimen Informationen gab es zunächst nur Spekulationen. Branchenkenner vermuten, dass sensible Daten zu einem Konkurrenten oder einem Zulieferer geflossen sein könnten, der an Entwicklungsplänen für Batterien interessiert ist. Möglicherweise sei auch ein neuer Renault-Elektromotor Hintergrund der Spionage-Aktivitäten gewesen. Industrieminister Eric Besson nannte den Fall „ernst“. „Hier ist der Ausdruck Wirtschaftskrieg angemessen“, sagte er. Zugleich forderte er strengere Sicherheitsvorkehrungen von Unternehmen, die wie Renault vom Staat Entwicklungszuschüsse erhalten.
Industriespionage kostet Firmen nach Einschätzung der deutschen Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft jährlich Milliardensummen. Den aktuellen Fall könnten Renault-Mitarbeiter aber auch als Kompliment sehen: „Die Affäre beweist, dass wir in Sachen Elektroauto besonders interessante Geheimnisse haben“, scherzte ein Mitarbeiter mit Galgenhumor.