Stahlkocher in Nöten: Salzgitter will 1500 Jobs streichen
Salzgitter/Essen (dpa) - Die Krise hat Deutschlands Stahlkocher fest im Griff: Während Branchenprimus ThyssenKrupp mit massiven Problemen an gleich mehreren Fronten zu kämpfen hat, gerät nun auch Deutschlands zweitgrößter Stahlhersteller Salzgitter in Turbulenzen.
Mit dem Abbau von mindestens 1500 Arbeitsplätzen will Salzgitter die Kosten deutlich senken. Konkurrent ThyssenKrupp hatte bereits die Streichung von 2000 Jobs in seinem europäischen Stahlgeschäft angekündigt.
Während bei dem Essener Konzern bereits Einigkeit über den sozialverträglichen Jobabbau besteht, widerspricht die Gewerkschaft IG Metall den Plänen bei Salzgitter vehement - noch sei gar nichts entschieden, die Zahl 1500 habe keine Grundlage. Zuvor hatte der Umfang der Pläne im Dunkeln gelegen.
Unterm Strich verbuchte der MDax-Konzern aus Niedersachsen nach den ersten sechs Monaten 315,2 Millionen Euro Verlust. Im ersten Quartal hatte der Verlust noch bei rund 17 Millionen Euro gelegen. Nun kamen in nur drei Monaten rund 300 Millionen Euro Miese hinzu.
ThyssenKrupp konnte dagegen mit einem Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) von 33 Millionen Euro im europäischen Stahlgeschäft in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2012/2013 (30.9.) operativ noch knapp schwarze Zahlen schreiben. Dabei musste der Branchenprimus jedoch einen Ergebniseinbruch um mehr als 80 Prozent hinnehmen.
Für den Konzernverlust bei ThyssenKrupp von gut 1,2 Milliarden Euro in den ersten neun Monaten waren dagegen vor allem missglückte Investitionen in das Stahlgeschäft in Übersee verantwortlich. Seit mehr als einem Jahr verhandelt der Konzern über einen Verkauf der Stahlwerke in Brasilien und den USA - bislang ohne Ergebnis.
Bei Salzgitter hatten Arbeitnehmervertreter und Konzern in den vergangenen Wochen bereits über erste Sparziele verhandelt. Die Sichtweisen klaffen weit auseinander. IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban wies das Sparziel von gut 1500 Stellen als „spekulativ und überflüssig“ zurück. Er kontrolliert Salzgitter als Vize-Aufsichtsratschef. Zum Stichtag Ende Juni zählte Salzgitter noch 25 272 Mitarbeiter.
Fakt bleibt der Sparwille. Und mit Blick auf die Bilanz dürfte bei Salzgitter eine Stoßrichtung klar sein: Die verlustreiche Tochter Peiner Träger GmbH (PTG) macht die größten Sorgen. In der Bilanz ist bei der PTG von „katastrophaler Erlössituation“ die Rede. Der Konzern schrieb 185 Millionen Euro auf das Anlagevermögen ab.
Bei den Niedersachsen soll nun das Sparprogramm „Salzgitter 2015“ die Wende für den Konzern bringen, an dem das Land eine Sperrminorität hält. Zwar betonte Konzernsprecher Bernhard Kleinermann, dass das Ziel der gut 1500 Stellenstreichungen konzernweit gelte. Dennoch: „Dort, wo die größten Verluste anfallen, wird auch überproportional angesetzt.“ Bei der Peiner Tochter gehe es nicht um bloße Absatzschwankungen. Das lahme Baugeschäft im kriselnden Südeuropa belaste nachhaltig.
Auch Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann machte den Beschäftigen am Unternehmensstandort Peine keine großen Hoffnungen. Die PTG stehe in der Halbjahresbilanz mit etwa 230 Millionen Euro für den Löwenanteil des konzernweiten Verlusts über gut 300 Millionen Euro, sagte er am Mittwoch der Radiowelle NDR1 Niedersachsen. „Und wenn Sie sehen, dass in Peine weniger als fünf Prozent der Konzernbelegschaft beschäftigt sind, dann wird die Unhaltbarkeit dieses Zustands sehr, sehr deutlich“, sagte der Manager.
Anfang August hatte die Salzgitter AG zum zweiten Mal binnen weniger Monate die Prognose kassiert. Vor Steuern soll das Jahr 2013 nun rund 400 Millionen Euro Verlust bringen. An der Börse lösten die Nachrichten am Mittwoch im Handelsverlauf Kursgewinne aus.