Starkes Inland stärkt Wachstum und Unternehmerlaune

Wiesbaden (dpa) - Mitten in der Euro-Schuldenkrise haben investitionsfreudige Verbraucher und Unternehmen der deutschen Wirtschaft noch einmal einen kräftigen Schub verliehen.

Die Unternehmer der gewerblichen Wirtschaft erwarten auch in den nächsten Monaten gute Geschäfte und ließen den ifo-Index, Deutschlands wichtigstes Konjunkturbarometer, erstmals nach vier Monaten wieder steigen. Dennoch treten Volkswirte auf die Euphoriebremse: Die Aussichten für das vierte Quartal und das Jahr 2012 seien alles andere als rosig.

Vor allem positive Impulse aus dem Inland sorgten dafür, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Juli bis Ende September preis-, saison- und kalenderbereinigt zum Vorquartal um 0,5 Prozent zulegte. Nach einem Plus von 0,3 Prozent im zweiten Quartal nahm die deutsche Wirtschaft damit wieder Fahrt auf. Ökonomen rechnen auf dieser Grundlage damit, dass Deutschland im Gesamtjahr 2011 noch ein Plus von 3,0 Prozent erreichen kann - auch wenn sie bereits für das vierte Quartal einen deutlichen Dämpfer erwarten.

„Es wurde insbesondere mehr konsumiert, aber auch mehr investiert als im Vorquartal“, teilten die Statistiker mit. Verbraucher gaben 0,8 Prozent mehr aus als im zweiten Vierteljahr 2011. Einen höheren realen Anstieg des privaten Konsums hatte es zuletzt im Frühjahr 2007 mit 1,1 Prozent gegeben. Volkswirte wiesen jedoch darauf hin, der hohe Wert jetzt sei zumindest teilweise als Gegenbewegung zum schwachen zweiten Quartal 2011 zu werten: Damals hatten sich die Verbraucher noch stärker von den Turbulenzen verunsichern lassen.

Auch die Konsumausgaben des Staates lagen im dritten Quartal um 0,6 Prozent über dem Vorquartal, vor allem wegen zunehmender Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für eine alternde Bevölkerung. Zusätzlicher Schwung kam von den Unternehmen, die ihre Investitionen in Maschinen, Fahrzeuge und andere Ausrüstungen um 2,9 Prozent nach oben schraubten.

Vorwiegend auf den Binnenkonsum stützt sich auch der Optimismus der Unternehmer für die nächsten Monate: Vor allem Bauwirtschaft und Großhandel hoben den ifo-Index. Deutschlands exportorientierte Industrie erwartet dagegen vom Auslandsgeschäft kaum noch Impulse. Hauptgründe dafür sind die Schuldenkrise und die weltweite Abkühlung der Konjunktur

Genau deshalb sehen sich Volkswirte bestätigt, die nun vor Euphorie warnen. „Die recht soliden Zahlen zum dritten Quartal sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die konjunkturelle Lage in Deutschland zuletzt merklich verschlechtert hat“, kommentierte die Commerzbank. Im „richtungsweisenden Kern“ der deutschen Wirtschaft, nämlich der Industrie, sei das Geschäftsklima erneut gesunken, betont Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Für 2012 wird nach jüngsten Prognosen allenfalls ein Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent erwartet.

Manche, wie Norbert Irsch, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe, halten sogar eine Rezession in Deutschland für wahrscheinlich, wenn nicht bis spätestens im nächsten Frühjahr ein „glaubwürdiger Ansatz zur Überwindung der Euro-Schuldenkrise“ gefunden werde. Ein Pessimismus, den Andreas Ress, Chefvolkswirt der Unicredit, ganz und gar nicht teilt. Das Risiko, dass die Panik an den Finanzmärkten auf den Unternehmenssektor überschwappe, sei „nach wie vor sehr begrenzt“, ist er überzeugt. Klar ist aber, dass die guten Nachrichten über das Wirtschaftswachstum und die Stimmung der Unternehmer keinen weiteren Boom einläuten. „Die Tendenz geht nach unten“, bringt es ifo-Konjunkturexperte Klaus Abberger auf den Punkt, „aber es gibt immer wieder Lichtblicke“.