Steigende Fehlzeiten in NRW: Die Last mit dem Rücken
6,7 Millionen Erwerbstätige in NRW sind von Rückenschmerzen betroffen. Das führt zu steigenden Fehlzeiten bei der Arbeit.
Düsseldorf. Der Krankenstand bei Arbeitnehmern in Nordrhein-Westfalen ist im vergangenen Jahr leicht gestiegen. Insgesamt lag er 2017 bei 4,1 Prozent und damit 0,2 Prozentpunkte höher als im Jahr zuvor, wie aus einer Umfrage der DAK-Krankenkasse unter ihren Mitgliedern hervorgeht. Das heißt, dass an jedem Kalendertag 4,1 Prozent der Erwerbstätigen in Nordrhein-Westfalen krank waren.
Die Quote entspreche dem bundesweiten Durchschnitt, teilten die Autoren mit. Insgesamt lag demnach für nahezu die Hälfte aller Erwerbstätigen in NRW im vergangenen Jahr mindestens eine Krankschreibung vor.
Allerdings variiert der Krankenstand zwischen einzelnen Berufsgruppen deutlich. So lag er etwa im Verkehrssektor, bei Lagerarbeitern und Kurierdienstfahrern sowie im Gesundheitswesen mit 4,9 Prozent stark über dem Durchschnitt. In den Bereichen Rechtsberatung und Unternehmensdienstleistungen lag er mit 3,2 Prozent niedriger.
Auch zwischen Frauen und Männern gibt es Unterschiede. Die Frauen kamen auf 4,5 Prozent, während der Krankenstand bei den Männern mit 3,8 Prozent leicht unter dem Durchschnitt lag.
Für Krankschreibungen seien Rückenprobleme seit Jahren besonders relevant, teilte die DAK mit. „Ihr Anteil an den Fehlzeiten in den Betrieben in Nordrhein-Westfalen verharrt mit zehn Prozent auf hohem Niveau“, hieß es. Nur der Anteil „depressiver Episoden“ lag noch höher.
Umfragen für den DAK-Gesundheitsreport 2018 ergaben, dass mehr als 6,7 Millionen Erwerbstätige in NRW von Rückenschmerzen betroffen sind, rund 775 000 leiden sogar chronisch unter Schmerzen. Die Zahl der stationären Behandlungen aufgrund solcher Beschwerden stieg seit dem Jahr 2007 landesweit um 80 Prozent auf 55 000 Krankenhausfälle im Jahr 2016.
Insgesamt liegt die Zahl der Menschen in Nordrhein-Westfalen, die wegen Rückenschmerzen Klinikleistungen in Anspruch nehmen, im bundesweiten Vergleich mit 356 je 100 000 Einwohnern und Jahr deutlich über dem Durchschnitt (306). Um den Erwartungen der Betroffenen an die Versorgung möglichst gerecht zu werden und gleichzeitig die Notfallambulanzen der Kliniken zu entlasten, macht sich der Leiter der DAK-Landesvertretung in NRW, Klaus Overdieck, für medizinische Versorgungszentren, teilstationäre Versorgungsangebote und einen verbesserten Terminservice bei den niedergelassenen Ärzten stark. „Auch Portalpraxen wie in Schleswig-Holstein können helfen, Rückenschmerzpatienten gezielter durch das System zu lotsen“, so Overdiek.
Der DAK-Report zeigt, unter welchen Beschwerden Betroffene in Nordrhein-Westfalen konkret leiden: So schmerzt bei 79 Prozent die Lendenwirbelsäule. 41 Prozent haben Probleme mit dem Nacken, 15 Prozent mit der Brustwirbelsäule. Mehr als jeder Vierte (29 Prozent) gibt Schmerzen mehrerer Bereiche der Wirbelsäule an. Jeder zehnte Rückenschmerz-Geplagte hat dabei starke bis sehr starke Schmerzen.
„Die Arbeitswelt hat sich gewandelt und wandelt sich weiter“, heißt es in der Studie zu den Gründen. „Es wird mehr gesessen, es gibt eine höhere Arbeitsdichte und mehr Druck.“ Dies erzeuge eine hohe Anspannung im Allgemeinen, die sich bevorzugt in Rückenschmerzen äußere.
Dabei geht die große Mehrheit (82 Prozent) der Erwerbstätigen dem Report zufolge auch mit Schmerzen zur Arbeit. Erst bei starken oder chronischen Schmerzen sinkt dieser Anteil.
DAK-Chef Overdiek: „Wir müssen dem Rückenschmerz den Kampf ansagen und gemeinsam mit den Unternehmen das individuelle Arbeitsumfeld noch rückenfreundlicher gestalten — auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.“ Für Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds NRW, gilt es, Druck aus dem System zu nehmen und zu erkennen, „dass höher, schneller, weiter in eine Sackgasse führt“. Politik habe die Aufgabe, durch mehr Kontrollen beim Arbeitsschutz und eine Stärkung des Rechts auf Nichterreichbarkeit die Beschäftigten zu schützen. dpa/Red