Streit um „bekömmliches“ Bier vor Gericht
Leutkirch/Berlin (dpa) - „Reich an Vitaminen“, „zuckerarm“, „wenig Fett“: Solche Angaben werden in der Lebensmittel-Werbung häufig verwendet. Ihre Nutzung ist in der Europäischen Union (EU) streng geregelt - Werbung von Essen und Trinken darf nur versprechen, was sie auch wirklich halten kann.
Aber wie sieht es bei dem Adjektiv „bekömmlich“ für alkoholische Getränke aus - geht es dabei um Gesundheit oder Genuss? Darüber streiten eine Bierbrauerei aus dem Allgäu und ein Berliner Verband vor Gericht.
Worum geht es bei dem Zwist?
Die Brauerei Clemens Härle aus Leutkirch (Kreis Ravensburg) hatte auf ihrer Internetseite drei Biersorten mit dem Begriff „bekömmlich“ beworben. „Für uns heißt das im Zusammenhang mit unseren Bieren, dass sie gut fürs Wohlbefinden sind“, sagt der Brauerei-Chef Gottfried Härle. Das sieht der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) aus Berlin anders: Für ihn ist der Begriff eine „gesundheitsbezogene Angabe“ - und die sei im Zusammenhang mit alkoholischen Getränken nicht erlaubt. Der Verein erwirkte daher eine einstweilige Verfügung gegen Härle und untersagte dem Unternehmen die Werbung mit dem Begriff. Das Landgericht Ravensburg muss nun darüber entscheiden, ob die Verfügung aufgehoben wird oder bestehenbleibt.
Worauf beruft sich der Verband bei seinem Verbotsantrag?
Auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2012. Der entschied damals: Winzer dürfen nicht mit Werbeslogans wie „bekömmlich“, „sanfte Säure“ oder „Edition Mild“ für ihren Wein werben. Das sei eine gesundheitsbezogene Angabe, die auf den geringen Säuregehalt und die leichtere Verdauung hinweise, aber die Gefahren beim Trinken von Alkohol verschweige (Rechtssache C-544/10). Das EU-Recht verbietet für Getränke mit mehr als 1,2 Prozent Alkohol Angaben, die eine Verbesserung des Gesundheitszustands suggerieren. Zum Schutz der Verbraucher dürfen Hersteller weder auf dem Etikett noch in der Werbung solche Begriffe verwenden.
Aber gilt das Urteil zum Wein auch für Bier?
Genau das ist der Streitpunkt zwischen Brauereien und Verband. Der VSW sagt: Ja. Die Firma Härle wiederum argumentiert: Das EuGH-Urteil nehme ganz klar Bezug auf die Zusatzaussage, dass der Wein deshalb bekömmlich sein solle, weil er einen niedrigen Säuregehalt habe. „Bei Wein kann der Säuregehalt zu Beschwerden führen. Daher ist das dort auch eine gesundheitsbezogene Aussage.“ Das sei beim Bier nicht der Fall, daher sei das auch nicht vergleichbar.
Gibt es bereits andere Rechtsprechungen zum Bier - und welche Folge konnte eine Entscheidung für die Branche haben?
„Mir ist dazu bislang kein anderer Rechtsstreit bekannt“, sagt der Geschäftsführer des Verbands der Privaten Brauereien in Deutschland. Roland Demleitner arbeitet neben seiner Tätigkeit für den Bier-Verband auch als selbstständiger Anwalt - und vertritt in dieser Funktion wiederum die Brauerei Härle vor dem Ravensburger Landgericht. Der Verband beobachte den Prozess ganz genau - denn es gebe durchaus noch andere Betriebe, die den Begriff bekömmlich für ihr Bier verwendeten. „In den Grundsatzaussagen könnte das ein Präzedenzfall werden.“