Streit um Rettungspaket für Athen spitzt sich zu
Berlin/Brüssel (dpa) - Vor dem Euro-Sondergipfel am Donnerstag spitzt sich der Streit über ein zweites Rettungspaket für Griechenland zu. Dabei werden die Rufe nach einem allerdings umstrittenen Schuldenerlass immer lauter.
Vom Krisengipfel in Brüssel wird ein starkes Signal erwartet, um die nervösen Finanzmärkte zu beruhigen und eine Zuspitzung der Krise in anderen hoch verschuldeten Ländern zu verhindern. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet richtete einen eindringlichen Appell an die Euro-Staaten.
An den Finanzmärkten herrscht vor dem Gipfel große Verunsicherung. Der deutsche Leitindex Dax sank am Montag um mehr als einen Prozent, der Euro fiel unter die Marke von 1,41 US-Dollar. Die Renditen der Staatsanleihen Italiens und Spaniens, ebenfalls Sorgenkinder, stiegen auf Rekordstände seit der Euro-Einführung.
Die Höhe der Renditen zeigt die Gefahrenzulage an, welche die Märkte für das jeweilige Land verlangen. Hohe Renditen sind grundsätzlich ein Zeichen für ein großes Misstrauen der Investoren. Zugleich setzte eine neue Rekordjagd am Goldmarkt ein: Weltweit gehen die Investoren auf Nummer sicher und kaufen scharenweise Gold.
Der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten am Donnerstag (21. Juli) soll den Weg aus der Schuldenkrise ebnen. Neben Griechenland hängen auch Irland und Portugal am internationalen Finanztropf. Griechenland hat derzeit rund 340 Milliarden Euro Schulden. Das neue Hilfspaket für Athen könnte einen Umfang von bis zu 120 Milliarden Euro haben. Bereits im Mai 2010 war Griechenland mit einem Hilfspaket von 110 Milliarden Euro vor der Staatspleite gerettet worden. Nun zeichnet sich aber schon länger ab, dass Griechenland nicht wie geplant 2012 wieder an den Finanzmarkt zurückkehren kann.
In Brüssel wird derzeit diskutiert, dass der Rettungsfonds für klamme Eurostaaten künftig den Anleihen-Kauf von Privatgläubigern finanzieren oder Schuldenländern den Rückkauf eigener Anleihen ermöglichen könnte. Dies könnte die Schuldenlast erheblich drücken. Dieser Schritt ist aber umstritten, ebenso wie ein möglicher Schuldenschnitt sowie die Einführung gemeinsamer Anleihen, sogenannter Eurobonds.
EZB-Präsident Trichet warnte in deutlichen Worten vor Entscheidungen der Euro-Staaten, die zu einem teilweisen Zahlungsausfall oder zu einem Zahlungsausfall führen könnten. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde in dieser Frage keine Kompromisse eingehen: „Es ist inakzeptabel für uns, unsere Rolle als Anker für Stabilität und Vertrauen im Euro-Raum und in Europa aufs Spiel zu setzen“, sagte Trichet der „Financial Times Deutschland“ (Montag).
Ein teilweiser Rückkauf griechischer Schulden durch die Regierung in Athen könnte von den einflussreichen Ratingagenturen als (teilweiser) Zahlungsausfall bewertet werden und das Ansehen des Schuldners Griechenland an den Märkten endgültig zerstören.
„Wenn ein Land zahlungsunfähig wird, können wir seine ausgefallenen Staatsanleihen nicht mehr als normale notenbankfähige Sicherheiten akzeptieren“, sagte Trichet. Experten befürchten als Folge eines Zahlungsausfalls einen Zusammenbruch des griechischen Bankensystems. „Die Regierungen tragen dafür die Verantwortung“, sagte Trichet. Die Regierungen müssten dann dafür sorgen, dass dem Euro-System Sicherheiten bereitgestellt werden, die es akzeptieren könne.
Die Bundesregierung ging am Montag aber davon aus, dass das neue Griechenland-Paket im „Konsens“ mit der EZB beschlossen wird, wie der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus, in Berlin sagte. Generell zeigte sich die Bundesregierung zuversichtlich, dass vom Euro-Gipfel ein „gutes Signal“ ausgehen wird. Der Gipfel werde Eckpunkte für ein zweites Griechenlandpaket bringen, mit dem die Schuldentragfähigkeit des Landes langfristig gesichert werden könne, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Unterdessen werden die Rufe nach einem Schuldenerlass für Griechenland lauter. Dafür sprachen sich Wissenschaftler, Teile der Wirtschaft sowie auch Politiker der Opposition in Deutschland aus.
„Der EU-Gipfel muss nun endlich eine gemeinsame Position beziehen, an deren Ende die Umschuldung Griechenlands steht“, sagte etwa der Wirtschaftsweise Lars Feld der dpa. „Die Finanzmärkte dürfen jetzt nicht wieder beunruhigt werden durch eine Kakophonie unterschiedlicher Botschaften.“ Feld schlägt vor, dass griechische Staatsanleihen in Anleihen des Rettungsfonds für klamme Eurostaaten (EFSF) umgewandelt werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte eine Umschuldung Griechenlands zuletzt nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen, sich aber zugleich skeptisch geäußert: „Was wir wollen, ist doch: möglichst wenig Maßnahmen“, sagte Merkel am Sonntag in der ARD. „Und eine Umschuldung, die jetzt immer genannt wird, hat natürlich auch den negativen Effekt, dass die Länder sich vielleicht nicht mehr so anstrengen. Das heißt, ich arbeite darauf nicht hin.“ Man versuche alles Mögliche, um noch härtere Maßnahmen als bisher zu vermeiden.
Wie die Zeitung „Die Welt“ am Montag berichtete, erwägen die Regierungen der 17 Euro-Länder auch, den Privatsektor künftig über eine neue Bankenabgabe an der Rettung Griechenlands zu beteiligen. Die Bankenabgabe solle dabei auch für Kreditinstitute der Euro-Länder gelten, die nicht direkt in Griechenland engagiert sind, schrieb die Zeitung unter Berufung auf hohe Diplomatenkreise. Neben der Bankenabgabe solle der Privatsektor zusätzlich über einen Rückkauf griechischer Staatsanleihen zur Rettung Athens beitragen.