Strom für Europa aus der Wüste
Die Initiatoren des Solar-Projektes „Desertec“ halten an ihren Plänen fest — trotz Unruhen in den arabischen Ländern.
München. Massenproteste, blutige Straßenschlachten und Evakuierungswellen: Unter der Wüstensonne in Ägypten und Tunesien brodelt es, und die Furcht vor einem Flächenbrand in Nordafrika wächst. Manch deutsches Unternehmen meldet Produktionsausfälle und sorgt sich um seine Investitionen in der Region.
Doch die Initiatoren des 400 Milliarden Euro schweren Wüstenstrom-Projekts „Desertec“ wollen sich nicht bange machen lassen — im Gegenteil: „Die politischen Veränderungen können den erneuerbaren Energien auch einen Schub geben, weil dadurch Arbeitsplätze entstehen und die Industrialisierung vorankommt“, sagt Paul van Son von der Projektgesellschaft Dii GmbH, welche die Pläne vorantreibt.
Mit Milliarden-Investitionen sollen einmal riesige Solar- und Windkraftwerke in den Wüsten in Nordafrika und dem Mittleren Osten Strom für die Menschen in der Region und in Europa produzieren. Als visionär gilt das Großprojekt bei Befürwortern seit der Bekanntgabe vor gut eineinhalb Jahren. Doch Kritiker verwiesen immer wieder auch auf die instabile politische Lage in der Region. Sie dürften sich jetzt bestätigt fühlen. Hintergrund sind dabei aber auch gegensätzliche Interessen: Manches heimische Solarunternehmen fürchtet die Konkurrenz der Sahara-Energie. Die an dem Projekt beteiligten Energiekonzerne könnten dadurch ihre Stärke ausbauen, lautete der Vorwurf.
Als Standort für ein erstes Referenzprojekt hat die in Deutschland gestartete Industrie-Initiative Marokko ausgewählt. Das Land gilt als besonders geeignet, weil es bereits über Leitungen mit Europa verbunden ist und selbst einen ehrgeizigen Solarplan aufgelegt hat. Auch politisch könnte sich die Entscheidung als klug erweisen: Das Königreich gilt als eines der stabilsten Länder der Region.
Für ein Kraftwerk im marokkanischen Ouarzazate, das in einiger Zeit als Vorbild für die ersten Desertec-Projekte dienen soll, sind derzeit noch vier Konsortien unter Beteiligung deutscher Unternehmen in der engeren Auswahl. Außerdem laufen erste Vorbereitungen für ein Solarkraftwerk nach dem Desertec-Modell — ebenfalls in Marokko.
Aber auch Tunesien und Ägypten bleiben für die Wüstenstrom-Planer vielversprechende Standorte. Noch sind aber viele Fragen offen. So dürfte unklar sein, ob Ansprechpartner, bei denen die Initiatoren um Unterstützung für das Projekt warben, auch morgen noch im Amt sind. Laut Zeitplan soll die Projektgesellschaft im kommenden Jahr das Geschäftsmodell erarbeitet haben. Wie lange es dann dauert, bis der erste Strom aus einer Anlage nach Europa fließen kann, scheint aber noch immer unklar.
Van Son will sich nach wie vor nicht nicht festlegen: „Es kommt nicht auf ein paar Jahre an. Es geht um eine Entwicklung für die kommenden Jahrzehnte.“