Strom- und Gaskunden drohen Preisaufschläge
Düsseldorf (dpa) - Den Strom- und Gaskunden in Deutschland drohen zusätzliche Preisaufschläge. Fast 300 Gas- und Stromnetzbetreiber wollen vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht gegenüber der Bundesnetzagentur höhere Netzentgelte durchsetzen.
Über ihre Beschwerden wird seit Donnerstag verhandelt. „Es geht um viel in diesem Verfahren. Die Bedeutung ist immens“, sagte der Vorsitzende Richter Wiegand Laubenstein beim Prozessauftakt. Das Gericht ließ auch erkennen, dass die Betreiber voraussichtlich Erfolg haben werden. Die Berechnungen der Bundesnetzagentur seien nicht ausreichend plausibel.
Allerdings wollten weder das Gericht noch die Bundesnetzagentur die Summe der komplexen Forderungen beziffern. Schätzungen bewegen sich zwischen einer dreistelligen Millionensumme bis hin zu einem Milliardenbetrag. Die Entscheidung des Gerichts soll am 6. Juni verkündet werden.
Sollten sich die Netzbetreiber durchsetzen und den Energieversorgern verteilt über fünf Jahre ihre Nachforderungen als höhere Netzentgelte in Rechnung stellen, würden diese letztlich auf die Endverbraucher umgelegt. Beim Strom macht das Netzentgelt etwa ein Viertel des Strompreises aus.
Einige der Netzbetreiber betrachten die Streitwerte als Betriebsgeheimnis. Einzelne Unternehmen machen bis zu sechs Millionen Euro pro Jahr geltend. Die Forderungen werden rückwirkend bis 2006 und in die Zukunft gerichtet geltend gemacht, sagte ein Gerichtssprecher.
Die Bundesnetzagentur legt die Durchleitungsgebühren für Strom und Gas fest. Sie müssen von den Versorgern an die Netzbetreiber entrichtet werden. Die Netzbetreiber greifen nun die Kalkulation der Bundesnetzagentur an, auf deren Grundlage die Entgelte festgelegt wurden. Nach Auffassung der Netzbetreiber wurden dabei die Kosten nicht umfassend berücksichtigt.
Den Strompreis bestimmen drei große Faktoren: Steuern und Abgaben, Kosten für die Strombeschaffung und die Netzentgelte, die derzeit etwa ein Viertel des Preises ausmachen.
Auch wegen des Trends hin zu erneuerbaren Energien müssen die Netze ausgebaut werden, was ebenfalls die Preise treibt. Hochrechnungen der Bundesnetzagentur ergeben, dass sich Haushaltsstrom in den kommenden Jahren allein durch höhere Netzentgelte um fünf bis sieben Prozent verteuern wird. Hinzu kommen gestiegene Beschaffungskosten, die derzeit den Strompreis in die Höhe treiben. Der Gaspreis wiederum ist an den Ölpreis gekoppelt, der in den vergangenen Monaten kräftig angezogen hat.
Eon-Chef Johannes Teyssen schlug wegen der hohen Strompreise staatliche Zuschüsse für Familien mit niedrigem Einkommen vor. „Wird der Energieumbau zu teuer, dann muss das Sozialsystem einspringen und die Mehrbelastung für einkommensschwache Haushalte abfedern“, sagte der Vorstandsvorsitzende des größten deutschen Energiekonzerns der „Bild“-Zeitung (Donnerstag). Er betonte, an den Erhöhungen trage auch der Staat seinen Anteil. Grünen-Chef Cem Özdemir warf Teyssen Doppelmoral vor.
In dem Düsseldorfer Rechtsstreit kritisieren die Betreiber die von der Netzagentur verwendeten Preisindizes. So müssten für den Neubau der Energienetze die höheren Lohnsteigerungen des Baugewerbes und nicht die des produzierenden Gewerbes berücksichtigt werden. Die von der Netzagentur kostenmindernd veranschlagten Produktivitätsfortschritte seien dagegen zu hoch angesetzt.
Das Gericht hatte am Donnerstag als Gutachter Experten des Statistischen Bundesamts zu einer umfangreichen Anhörung geladen. Das Beschwerdeverfahren ist aus prozessökonomischen Gründen auf 19 Pilotfälle begrenzt worden.