Hilfe im Tarifdschungel Strom- und Gaspreise steigen - So sparen Kunden Geld

Die Preise für Energie steigen. Höchste Zeit, zu einem günstigen Lieferanten zu gehen. Junge Firmen bieten Hilfe im Tarifdschungel an – die Verbraucherzentrale NRW rät zu. 

Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung in Deutschland wächst stetig.

Foto: dpa/Daniel Reinhardt

Nirgendwo in der EU zahlen die privaten Haushalte einen so hohen Strompreis wie in Deutschland. Nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat mussten die hiesigen Verbraucher im vergangenen Jahr im Schnitt 30,48 Cent je Kilowattstunde überweisen. Auf den nächsten Plätzen folgten Dänemark (30,30 Cent) und Belgien (28,88 Cent). Im EU-Schnitt zahlten die Kunden 20,45 Cent.

Dass Strom hierzulande billiger wird, ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rechnet im nächsten Jahr für die meisten privaten Haushalte mit steigenden Preisen. Verbandschef Stefan Kapferer fordert deshalb von der Bundesregierung, den Satz bei der Stromsteuer massiv zu senken. Dies sei angesichts voller Kassen möglich. Derzeit beträgt der Regelsatz bei der Stromsteuer 2,05 Prozent und macht sieben Prozent des Strompreises aus. Die Stromsteuer spült im Jahr rund sieben Milliarden Euro in die Bundeskasse.

Geld sparen durch Anbieterwechsel

Dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf diese Einnahmen verzichtet, ist nicht zu erwarten. Viele Verbraucher können ihre Belastung dennoch reduzieren, indem sie den Anbieter wechseln. Ende 2016 (jüngere Zahlen liegen nicht vor) waren immer noch 30,6 Prozent der Haushaltskunden in der Grundversorgung der örtlichen Stadtwerke – in der Regel der schlechteste Tarif. Bestenfalls lassen sich durch einen Wechsel mehrere hundert Euro im Jahr sparen.

Für etwas Transparenz im Tarifdschungel der 1260 Stromanbieter in Deutschland sorgen Internetportale wie Verivox und Check24. Wer einfach den billigsten Anbieter wählt, kann allerdings böse Überraschungen erleben. Denn beim Lockmittel Neukundenbonus ist die Preiserhöhung zwölf Monate später schon eingebaut, wenn man die rechtzeitige Kündigung versäumt. Wer weder Lust noch Zeit hat, Kündigungsfristen und Tarife im Blick zu behalten, kann den „Rundum-Kümmer-Service“ junger Unternehmen in Anspruch nehmen – zum Beispiel Switchup und Cheapenergy24. Ihr Versprechen: Vor Ablauf der Kündigungsfrist oder bei Preiserhöhungen werden alle Angebote im Markt geprüft und – sofern der Kunde es wünscht – automatisch findet der Wechsel des Anbieters statt.

Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, hat sich die Start-ups genauer angesehen. „Die Angebote haben durchaus ihren Charme“, sagt Sieverding. „Wir sind erstaunt, dass die Resonanz im Markt so gering ist, denn der Verbraucher bekommt einen echten Mehrwert.“

Beschwerden von Kunden über Anbieter werden berücksichtigt

Genaue Kundenzahlen nennen die Firmen auf Nachfrage dieser Zeitung nicht. „Fünfstellig“ heißt es bei Switchup in Berlin. Cheapenergy24 in Augsburg spricht von einer „hohen 4-stelligen Kundenzahl“. Beide verweisen auf hohe Zuwachsraten. Sieverding nennt den Zuspruch allerdings „verschwindend gering“. Nach seiner Einschätzung gibt es in Deutschland Hunderttausende Kunden, die jedes Jahr ohne fremde Hilfe ihren Strom- und Gasanbieter austauschen und damit viel Geld sparen. „Wer nie wechselt, zahlt den Neukundenbonus für die Profi-Wechsler quasi mit,“ urteilt der Energiefachmann.

Laut Sieverding liegt der Wert digitaler Wechselassistenten nicht zuletzt darin, dass sie Anbieter, über die es viele Beschwerden von Kunden gibt, ausschließen. So rät Switchup von BEV Energie, ExtraEnergie, Stromio und Fuxx ab. Sieverding hält die Skepsis gegenüber diesen Firmen für durchaus berechtigt.

Geld verdienen die Wechsel-Helfer auf verschiedene Weise: Cheapenergy24 verlangt bei der ersten Tarifoptimierung 30 Prozent dessen, was der Kunde gespart hat. Liegt die Ersparnis im ersten Jahr allerdings unter 100 Euro, ist der Service kostenlos. Die zweite Optimierung kostet 25 Prozent, die dritte noch 20 Prozent der jeweiligen Ersparnis. Switchup dagegen ist für den Kunden grundsätzlich kostenfrei und finanziert sich stattdessen – wie die Vergleichsportale Check24 und Verivox – über Provisionen der Strom- oder Gasanbieter. Transparenz gibt es also nicht. Der Anreiz für Switchup ist hoch, die Kunden Jahr für Jahr zum Wechseln zu bewegen. Dass dabei die Höhe der Provision die Auswahl beeinflusst, bestreitet das Unternehmen. Demnach hat der Empfehlungsalgorithmus, der 30 Tarifmerkmale des Kunden berücksichtigt, keine Informationen über die Höhe der Provisionen.