Tabu-Bruch für sichere Jobs
In den Tarifverhandlungen wird Arbeitsplatzerhalt auf Lohnprozente angerechnet. Die Gewerkschaft sieht jeden vierten bis fünften Job wackeln, zumal die Kurzarbeit bei vielen Firmen auszulaufen droht.
Frankfurt. Berthold Huber bricht mit Tarif-Tabus. Deutlich vor der sonst üblichen Zeit und voraussichtlich ohne bezifferte Forderung führt der Vorsitzende die IG Metall in die Tarifverhandlungen für die rund 3,4 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie - ein für die mächtigste Gewerkschaft Deutschlands bislang einmaliger Vorgang.
Im Vordergrund der noch vom Gewerkschaftsvorstand abzusegnenden Strategie steht die Sicherung der Jobs in Deutschlands zentraler Industriebranche, die in der Wirtschaftskrise wie keine andere zum süßen Gift der Kurzarbeit gegriffen hat.
Die teure Medizin der öffentlich subventionierten Arbeitszeitverkürzung droht auszugehen, so dass IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall seit Monaten gemeinsam nach Ersatzdrogen suchen. Sondierungen sind in NRW und Baden-Württemberg so weit vorangeschritten, dass nun ernst gemacht werden soll. Bezahlen soll auch die Allgemeinheit.
2010 stehen die Zeichen anders als in all den Jahren zuvor. Die Produktion in der Metall- und Elektroindustrie ist um ein Drittel eingebrochen, die Belegschaft hingegen nur um fünf Prozent geschrumpft, beschreibt Gesamtmetall die Situation.
Auch die Gewerkschaft sieht jeden vierten bis fünften Job wackeln, zumal die Kurzarbeit bei vielen Firmen auszulaufen droht. "Die alten Rituale haben in dieser einmaligen Situation keinen Sinn. Wir brauchen einmalige Lösungen", meint der Frankfurter Gewerkschaftsforscher Josef Esser.
Zentraler Punkt in Hubers "Jobpaket" ist daher eine weitere Arbeitszeitverkürzung über die Tarifverträge, die nach Auslaufen der Kurzarbeit greifen soll. Statt wie bislang ohne Lohnausgleich auf bis auf 29 Wochenstunden soll es bei einer gleichzeitigen Job-Garantie künftig auf bis zu 26Stunden runtergehen können.
Die IG Metall will jedoch einen Teillohnausgleich durchsetzen, da die Monatsgehälter der Mitglieder bereits an der untersten Grenze angekommen seien. "Die Forderung nach einem Teillohnausgleich kostet die Arbeitgeber Geld", analysiert Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln.
Das größte Fragezeichen steht aber hinter der gewünschten staatlichen Beteiligung. Tarifexperte Lesch sieht unter bestimmten Bedingungen kein Problem: "Der Staat müsste verbindliche Gegenleistungen einfordern, wenn er tatsächlich eingreift."