Tarifbilanz: Beschäftigte haben 2015 deutlich mehr im Portemonnaie
Düsseldorf/Frankfurt (dpa) - Viele Beschäftigte in Deutschland behalten 2015 deutlich mehr im Portemonnaie.
Im Schnitt steigen die Tariflöhne und -Gehälter um 2,9 Prozent, wie das WSI-Tarifarchiv der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nach der Auswertung zahlreicher Abschlüsse des ersten Halbjahres errechnete. Bei einer geschätzten Inflation im laufenden Jahr von 0,5 bis 0,8 Prozent liegt das bereinigte Plus bei gut 2 Prozent.
Das entspricht in etwa dem Vorjahresniveau: 2014 gab es den Angaben zufolge eine durchschnittliche Tarifgehaltssteigerung von 3,1 Prozent bei 0,9 Prozent Preissteigerungsrate. Damit leiste die Tariflohnentwicklung einen wichtigen Beitrag zur Binnennachfrage, die in diesem Jahr das deutsche Wirtschaftswachstum maßgeblich trage, sagte Tarifarchiv-Chef Reinhard Bispinck.
Der Pferdefuß an der Sache: Nur noch gut die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer hat überhaupt einen Tarifvertrag - und nicht tariflich gebundene Arbeitsverhältnisse werden vielfach niedriger bezahlt. Nach einer früheren Erhebung des Tarifarchivs bekommen die Beschäftigten ohne Branchen- oder Firmentarifvertrag im Schnitt 6 bis 8 Prozent weniger als ihre tarifgebundenen Kollegen.
Für die Tarifbeschäftigten 2015 ergibt sich je nach Branche ein sehr unterschiedliches Bild. Relativ hohe Abschlüsse gab es etwa bei der Deutschen Bahn, die mit der Gewerkschaft EVG eine Tarifsteigerung von 3,5 Prozent vereinbarte. In der Metallindustrie legen die Entgelte um 3,4 Prozent zu. Dasselbe gilt für die Tarifbeschäftigten von Volkswagen. Der öffentliche Dienst zahlt 2015 nach zwei Nullmonaten 2,1 Prozent mehr Geld, der Chemieabschluss liegt bei 2,8 Prozent bei 17 Monaten Laufzeit.
Schlusslicht ist bisher der Handel mit 1,7 Prozent. Dort stehen aber die Abschlüsse für die meisten Mitarbeiter vor allem im Einzelhandel noch aus.
Insgesamt verlaufe die reale Einkommensentwicklung weiter positiv, bilanzierte Bispinck. Für die Volkswirtschaft hat das allerdings zwei Seiten: Einerseits befeuert es weiter die Inlandsnachfrage. Die Verbraucher sind seit Monaten in Konsumlaune, auch wenn es zuletzt einen Stimmungsknick wegen der Eskalation der Griechenland-Krise gab. Andererseits verteuern steigende Löhne die Lohnstückkosten und erschweren damit den Konkurrenzkampf im Export.
Ein Großteil des Einkommens geben die Verbraucher nach eigener Einschätzung fürs Wohnen aus. Monatlich entfallen fast 30 Prozent des Nettoeinkommens auf Wohnen und Nebenkosten, wie eine repräsentative Umfrage der Commerzbank ergab. Nahrungsmittel, Getränke und andere Ausgaben für die Lebenshaltung schlagen demnach mit 27 Prozent zu Buche. Auf Auto und andere Verkehrsmittel, Freizeit und Hobbys sowie Urlaub entfallen jeweils rund weitere 10 Prozent.