ThyssenKrupp-Patriarch Berthold Beitz ist tot

Essen (dpa) - Krupp-Patriarch Berthold Beitz ist tot. Der Ehrenvorsitzende des ThyssenKrupp-Aufsichtsrats und jahrzehntelange Chef der einflussreichen Krupp-Stiftung starb an diesem Dienstag im Alter von 99 Jahren, wie der Dax-Konzern und die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung am Mittwoch in Essen mitteilten.

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Beitz als „deutsche Symbolfigur für sozial verantwortliches Unternehmertum“.

Beitz wurde 1953 Generalbevollmächtigter des letzten persönlichen Inhabers der Firma Krupp, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Danach stand er rund 60 Jahre lang in verschiedenen Funktionen an der Spitze des Konzerns, der zu Deutschlands größten Unternehmen zählt. Nach dem Tod von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach stellte er die Weichen für die Gründung der Krupp-Stiftung, die heute Großaktionär des Essener Industriekonzerns ist. Nach Alfried Krupps Tod 1967 wurde er deren Vorsitzender.

Maßgeblichen Einfluss hatte er auch auf die Fusion mit Thyssen 1999 zum heutigen ThyssenKrupp-Konzern, der aktuell mehr als 150 000 Menschen beschäftigt.

Der betagte Manager hatte sich noch bis kurz vor seinem Tod fast an jedem Arbeitstag in sein Büro gegenüber der Villa Hügel in Essen fahren lassen. Auch als Kuratoriumsvorsitzender der Krupp-Stiftung übte er erheblichen Einfluss aus. Die Stiftung ist mit 25,3 Prozent wichtigster ThyssenKrupp-Aktionär. „Ich mache das weiter, solange ich es kann und noch klar im Kopf bin“, hatte er in einem seiner seltenen Interviews in der „Süddeutschen Zeitung“ Mitte März betont. Entscheidungen von Tragweite waren bis zuletzt ohne das Plazet des mächtigen Beitz nicht denkbar.

Die Stiftung werde nach seinem Ausscheiden eine neue Struktur haben, sagte Beitz der „SZ“ seinerzeit weiter. Künftige Vorsitzende würden wie bei anderen Stiftungen auch vom Kuratorium gewählt. ThyssenKrupp fuhr zuletzt vor allem wegen misslungener Auslandsgeschäfte Milliardenverluste ein und hatte mit Korruptions- und Kartellvorwürfen zu kämpfen.

Im März soll Beitz den langjährigen Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp, Gerhard Cromme, zum Rücktritt gedrängt haben. Cromme galt lange als Nachfolger von Beitz an der Spitze der Krupp-Stiftung. In den vergangenen Jahrzehnten haben Beitz und Cromme die Geschicke der Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen maßgeblich geprägt: Von der feindlichen Übernahme des Konkurrenten Hoesch 1992 über die spektakuläre Schließung des Hütten- und Stahlwerkes Rheinhausen bis zur Fusion mit Thyssen im März 1999.

In Wirtschaft und Politik wurde Beitz' Tod mit großer Anteilnahme aufgenommen: „Deutschland hat einen Mann verloren, dem Gemeinschaft nicht nur ein Wort, sondern ein Wert war - einer der höchsten überhaupt“, erklärte Bundespräsident Gauck am Mittwoch. Er erinnerte daran, dass Beitz mehreren hundert jüdischen Zwangsarbeitern das Leben gerettet habe. Mit seinem Namen verbunden seien neben dem deutschen Wirtschaftswunder unter anderem auch die Kulturstiftung Ruhr und die innere Einheit Deutschlands, für die sich Beitz unermüdlich engagiert habe. Sein Tod erfülle ihn mit tiefer Trauer, betonte Gauck.

Der Vize-Vorsitzende des Kuratoriums der Krupp-Stiftung, Reimar Lüst, sagte: „Für alle, die ihn kannten, ist dies ein unersetzlicher Verlust.“

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) würdigte Beitz als Vorbild und prägende Persönlichkeit. „Sein Name steht für die Verbindung von wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlicher Verantwortung“, sagte Kraft laut einer Mitteilung. „Sein Tod reißt eine große Lücke.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte Beitz eine „unternehmerische Jahrhundertgestalt“. Beitz sei ein beispielloser Garant für die soziale Marktwirtschaft in Deutschland gewesen, so Gabriel.

Neben unternehmerischen Verdiensten und sozialem Engagement werde der Einsatz von Beitz für die jüdischen Mitbürger in der Zeit des Nationalsozialismus sowie für die Entschädigung von Zwangsarbeitern unvergessen bleiben, erklärte Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP).

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, nannte Beitz einen herausragenden Industrie-Manager. Beitz stehe wie kaum eine andere Persönlichkeit für die Erfolgsgeschichte der deutschen Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg. IG Metall-Chef Berthold Huber erklärte: „Wer das Leben und Lebenswerk von Bertold Beitz betrachtet, für den sind drei Charakterzüge markant: Verantwortungsbereitschaft, Mut, Entschlossenheit.“

Der in Vorpommern geborene Berthold Beitz gilt als großer Förderer des Ruhrgebiets. Die Krupp-Stiftung unterstützte unter seiner Leitung Wissenschaft, Bildung und Sport mit insgesamt rund 625 Millionen Euro. Zur Kulturhauptstadt 2010 finanzierte die Stiftung beispielsweise der Stadt Essen einen kompletten Um- und Neubau des Museums Folkwang für 55 Millionen Euro.