Top-Notenbanker uneins über Anleihekäufe
Frankfurt/Main (dpa) - Die Anleihekäufe der EZB spalten das Spitzenpersonal der Notenbank: Während Bundesbank-Präsident Jens Weidmann seine Ablehnung gegenüber Bond-Käufen im großen Stil bekräftigt hat, kritisiert das Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi die deutsche Position scharf.
Allerdings dürfte Weidmanns Stimme deutlich mehr Gewicht haben - denn Bini Smaghis Tage bei der Europäischen Zentralbank (EZB) sind bereits gezählt. „Die Grenze von Geld- und Fiskalpolitik darf nicht überschritten werden“, sagte Weidmann am Dienstagabend in Frankfurt. Der Bundesbank-Chef bleibt damit konsequent bei seinem Kurs, die Verteidigung der Unabhängigkeit und Gesetzestreue der EZB höher zu gewichten als kurzfristige Krisenhilfen. Für Weidmann zählt vor allem, das Notenbank-Mandat der Preisstabilität nicht zu gefährden.
Zudem argumentiert Weidmann mit dem Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenpresse, das in den europäischen Verträgen festgeschrieben ist: „Die Auffassung, auf einem Rechtsbruch Vertrauen bilden zu können, finde ich erstaunlich.“ Der Bundesbank-Präsident sieht zudem die Gefahr, dass durch breit angelegte Anleihenkäufe der Anreiz für eine solide Finanzpolitik geschwächt wird. „Die Disziplinierung durch die Märkte ist sehr wichtig.“
Das italienische EZB-Direktoriumsmitglied Bini Smaghi hat das umstrittene Anleihekaufprogramm der Notenbank unterdessen verteidigt und die deutsche Kritik daran scharf zurückgewiesen. „Die Unabhängigkeit der EZB gilt immer - nicht nur, wenn sie das tut, was die verschiedenen Beobachter gern hätten oder nicht“, sagte Bini Smaghi im Gespräch mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Auf die Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten dürfe die Notenbank keine Rücksicht nehmen.
Auch die Vertreter der nationalen Notenbanken müssten Disziplin wahren, da sie nicht die Repräsentanten ihres Landes seien, sondern in persönlicher Kapazität ernannt worden seien. "Wenn es in der Vergangenheit Probleme gab, dann weil einige Ratsmitglieder auf unangemessene Weise ihre Positionen zu spezifischen Fragen öffentlich gemacht hatten - als ob sie damit nationale Sichtweisen vertreten würden. Das ist ein Verhalten, das die Unabhängigkeit der EZB unterminierte."
Bini Smaghi kritisierte zudem deutsche Vorschläge, den Einfluss des deutschen Vertreters im Rat dadurch zu stärken, dass seine Stimme wegen des höheren wirtschaftlichen Gewichts Deutschlands mehr zähle. "Wenn man nun die Stimmen gewichten würde, würden sie die Stimmung in den jeweiligen Ländern widerspiegeln müssen. Dann wäre der Rat nicht mehr unabhängig."
Es ist allerdings fraglich, welchen Einfluss Bini Smaghi bei der EZB noch geltend machen kann. Der Italiener wechselt zum 1. Januar 2012 zur Harvard Universität. Eigentlich hätte seine Amtszeit noch bis zum 31. Mai 2013 gedauert. Doch weil mit Mario Draghi inzwischen ein weiterer Italiener EZB-Präsident ist, wurde der traditionelle Proporz zwischen Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien bei der Verteilung der Spitzenposten aus dem Gleichgewicht gebracht. Bini Smaghis Nachfolger in der EZB-Führungsetage wird der Franzose Benoit Coeure.
Seitdem sich die Schuldenkrise im Euroraum verschärft hat, wird ein massiveres Eingreifen der EZB an den Anleihemärkten von Ökonomen und Politikern für unerlässlich gehalten. Sie sehen die Notenbank in der Pflicht, als Kreditgeber in der Not für Krisenstaaten zu agieren und deren Refinanzierungskosten durch unbegrenzte Anleihekäufe in einem erträglichen Rahmen zu halten. Vor allem seit Italien im Fokus der Krise steht, mehren sich diese Forderungen. Die drittgrößte Euro-Volkswirtschaft wäre nach Einschätzung etlicher Experten zu groß, um vom Rettungsfonds aufgefangen zu werden.
Bundesbank-Chef Weidmann hält erweiterte Unterstützung für Italien durch die EZB jedoch nicht für notwendig. Bei Zinssätzen für zehnjährige italienische Anleihen von sieben Prozent müsse man nicht nervös werde. Einen solchen Zinssatz könne das Land für längere Zeit schultern. „Ich habe Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der italienischen Wirtschaft.“ Die bisher vorgesehenen Reformen seien sinnvoll und gingen in die richtige Richtung.
Investoren bleiben jedoch trotz der auf dem jüngsten EU-Gipfel beschlossenen Schuldenbremsen skeptisch: Bei einer Aufstockung fünfjähriger Staatsanleihen musste Italien am Morgen den höchsten Zins seit Einführung des Euro bieten, um drei Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufzunehmen.