Übernahme-Schlacht um Hochtief geht ins neue Jahr
Essen/Madrid (dpa) - Für mehr als 10 000 Hochtief-Mitarbeiter in Deutschland beginnt das neue Jahr mit Sorgen: Die Übernahmeschlacht mit dem spanischen Konkurrenten ACS zieht sich bis weit in den Januar.
Die Chancen für Hochtief für eine Abwehr des Angreifers sind dabei nach Einschätzung aus Börsenkreisen aber nicht mehr besonders groß. Den ersten wichtigen Schritt zur Übernahme des lukrativen deutschen Baukonzerns - die Aufstockung des Anteils auf 30 Prozent - hatte ACS bis Mittwochmittag fast erreicht. ACS steigerte seinen Anteil an Hochtief bis dahin auf 29,4 Prozent und damit bis knapp an die entscheidende 30-Prozent-Grenze, wie das spanische Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Da erfahrungsgemäß viele Investoren erst in letzter Minute tauschen, halten Börsenkreise einen ACS-Erfolg nach dem letzten Tag der Frist für wahrscheinlich.
Nach Ablauf der Frist für das ACS-Aktientauschangebot an diesem Mittwoch um Mitternacht gibt es nach den gesetzlichen Vorgaben eine erweiterte Annahmefrist bis zum 18. Januar. Danach schließt sich noch eine siebentägige Rücktrittsfrist an. „Vor Ende Januar wissen wir nicht, was Sache ist“, sagte eine Hochtief-Sprecherin am Mittwoch.
Für die Hochtief-Beschäftigten bedeutet das weiter Angst um ihre Stellen - auch wenn ACS in einer Vereinbarung mit der der Gewerkschaft IG BAU den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und neue Investitionen in Deutschland festgeschrieben hat. Viele Hochtiefler aber zweifeln an der Verbindlichkeit der ACS-Zusagen. Der Hochtief-Betriebsrat wettert gegen die Gewerkschaft, weil die Vereinbarung ohne Mitwirkung des Betriebsrats geschlossen wurde.
Im Essener Konzern kursieren Schreckensberichte über das Schicksal von Mitarbeitern der ACS-Bausparte Dragados. Dort sollen angesichts der Baukrise in Spanien teils mit rüden Methoden Arbeitsplätze abgebaut worden sein. Der Konzernbetriebsrat sieht neben Teilen der eigenen Jobs auch weitere 10 000 bis 15 000 Stellen in der Zulieferindustrie bedroht.
Das Ergebnis der Aktientauschaktion will der spanische Konzern erst am 4. Januar 2011 mitteilen. Eher sei dies nicht möglich, weil die Banken die Aktientausch-Geschäfte erst umsetzen müssten und die Feiertage dazwischenliegen, sagte eine ACS-Sprecherin. Wenn ACS die 30-Prozent-Hürde überschreitet, kann das Unternehmen danach weitere Hochtief-Aktien kaufen, ohne ein kostspieliges Pflichtangebot vorlegen zu müssen. ACS-Ziel sind 50 Prozent plus eins.
Erfahrungsgemäß hätte der Angreifer aber schon ab etwa 35 Prozent ACS-Anteil real die Mehrheit bei der Hochtief-Hauptversammlung, da natürlich nicht alle Anteilseigner aus dem Streubesitz zu den Terminen erscheinen. Über die Wahl des Aufsichtsrates und in der Konsequenz des Vorstandes könnte ACS dann das Schicksal des Unternehmens bereits bestimmen.
Optimisten im Essener Konzern setzen noch auf eine juristische Abwehrstrategie: Falls Hochtief es schaffen würde, ACS heimliche Absprachen mit einem Hochtief-Großaktionär - dem US-Fonds Southeastern Asset - im Vorfeld des Tauschangebots zu beweisen, könnte das die Übernahme erheblich behindern. Doch solche Absprachen sind naturgemäß äußerst schwer nachzuweisen.
Für den Fall der Fälle hat Hochtief schon gegen drohenden Kapitalabfluss vorgesorgt: In neu verhandelten Verträgen hat der deutsche Konzern mit Banken ein Sonderkündigungsrecht vereinbart, falls der Hochtief-Vorstand - unter möglicherweise neuer Führung - Sonderdividenden ausschüttet oder einen Beherrschungsvertrag mit ACS abschließt. Das sei keine Abwehrmaßnahme, betonte Hochtief-Finanzchef Burkhard Lohr in der „Börsen-Zeitung“ (Mittwoch). Aber eine kräftige Drohung: Denn eine mögliche Kündigung von Krediten mit einem Gesamtvolumen von 3,7 Milliarden brächte jede Konzernführung finanziell ins Schwimmen.