Verbraucherschützer: Intransparenz und Willkür beim Dispo
Frankfurt/Main (dpa) - Etliche Banken und Sparkassen benachteiligen nach Erkenntnissen von Verbraucherschützern ihre Kunden bei der Berechnung von Zinsen für die Überziehung des Girokontos.
Zumindest sei bei vielen Instituten nicht transparent, wann, unter welchen Bedingungen und wie der Dispozins angepasst wird, erklärte Carmen Friedrich von der Verbraucherzentrale Sachsen. Friedrich leitet das für Bankdienstleistungen zuständige Team des „Marktwächters Finanzen“, eines bundesweiten Netzwerks der Verbraucherzentralen.
Friedrich und ihr Team haben nun ihre im November vorgestellte Studie teilweise aktualisiert. Damals hatten die Verbraucherschützer die Werbung für 1346 Girokonten bei 371 Banken und Sparkassen unter die Lupe genommen. Nur bei 32 Instituten fanden sie klare und belastbare Regeln zum Dispozins. Gebündelte und leicht zu findende Infos im Netz seien für Verbraucher angesichts der Vielzahl der Angebote wichtig.
Doch auch bei diesen 32 Banken und Sparkassen läuft es nach Ansicht der Verbraucherschützer nicht immer im Sinne der Kunden: „Acht der Kreditinstitute verstoßen gegen die eigenen Zinsanpassungsregeln, indem sie diese nicht anwenden und sitzen das Thema Zinsanpassung untätig aus“, kritisierte Friedrich im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt.
Wegen des allgemeinen Zinstiefs ist das Überziehen des eigenen Kontos in den vergangenen Jahren tendenziell günstiger geworden: Nach Berechnungen der Frankfurter Finanzberatung FMH verlangen Banken in Deutschland aktuell im Durchschnitt 9,48 Prozent Dispozinsen. Vor fünf Jahren waren es noch 11,39 Prozent.
Verbraucherschützer kritisieren seit Jahren, dass die Kreditwirtschaft sinkende Zinsen zugunsten der Kunden nicht im gleichen Maße weitergebe wie Zinserhöhungen. „Kreditinstitute passen den Sollzinssatz des Dispositionskredites über Monate oder gar Jahre hinweg nicht an. Der Sollzinssatz für Dispositionskredite wird somit von den Marktentwicklungen abgekoppelt, es entsteht eine parallele Welt“, erklärte Friedrich. „Die betreffenden Kreditinstitute werden von uns angeschrieben und darauf aufmerksam gemacht. Unter Umständen werden dann noch weitere rechtliche Schritte folgen, je nachdem wie sich das Kreditinstitut positioniert.“
Die Deutsche Kreditwirtschaft als Dachorganisation der Bankenverbände erklärte: „Banken und Sparkassen müssen jederzeit den Geldbetrag auf Vorrat bereithalten, den der Kunde möglicherweise im Rahmen seines Dispositionskredites in Anspruch nimmt. Und dieser Service kostet. Über die Höhe des Dispozinssatzes wird neben dem Preisaushang in der Filiale auch im Internetauftritt des jeweiligen Kreditinstitutes informiert.“ Der Dispo sei „nur für den kurzfristigen, flexiblen Einsatz gedacht“.
Bei 4 der 32 Institute jedoch suchen Kunden nach Erkenntnissen der Verbraucherschützer mittlerweile Informationen zu den Anpassungsregeln des Dispozinses in deren Online-Angeboten vergeblich: „Sie geben wie der Großteil der im Jahr 2015 untersuchten Banken und Sparkassen nicht alle für den Verbraucher relevanten Informationen preis.“
In manchen Fällen sehen die Verbraucherschützer gar Willkür bei der Zinsgestaltung: Die Degussa Bank wurde vom Marktwächter Finanzen abgemahnt, da sie den Sollzinssatz „nach billigem Ermessen hebt oder senkt“. Darin sehe die Verbraucherzentrale „einen Verstoß gegen das Transparenzgebot“ (§ 307 BGB). Die Degussa Bank äußerte sich auf Nachfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.
Einmal mehr mahnten die Verbraucherschützer gesetzliche Regelungen an, um Dispo-Bedingungen der Banken und Sparkassen im Sinne der Verbraucher zu verbessern. Der Gesetzgeber müsse eine monatliche Anpassung der Zinssätze nach einheitlichen Kriterien festschreiben.