Verunsicherte Verbraucher bremsen deutsche Wirtschaft
Wiesbaden (dpa) - Die Unsicherheit der Verbraucher hat die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal deutlich gebremst. Auch der Atomausstieg machte sich bemerkbar. Nach dem fulminanten Jahresstart kam das Wachstum im Vergleich zum ersten Vierteljahr (plus 1,3 Prozent) mit 0,1 Prozent fast zum Erliegen.
wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Die Behörde bestätigte damit ihre ersten Prognosen. Experten deuten den Rückgang als vorübergehenden Dämpfer und rechnen für das gesamte Jahr 2011 mit einem Wachstum von 3,0 Prozent.
Im dritten Quartal wird die Konjunktur in Deutschland nach Einschätzung des Deutschland-Chefvolkswirts von Unicredit, Andreas Rees, wieder anziehen. Er prognostizierte ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Für das Gesamtjahr geht er von etwa 3,0 Prozent Wachstum aus.
Allerdings werde sich die schwächelnde Weltwirtschaft von Jahresende an stärker auf den deutschen Export niederschlagen. Für 2012 erwartet Rees daher eine deutliche Abkühlung auf ein Wachstum von 1,25 Prozent.
Gründe für das minimale Wachstum seien auch die Staatsschuldenkrise im Euroraum und die schwache US-Konjunktur. Zusammen mit höheren Energiepreisen habe dies den privaten Konsum erstmals seit dem Krisenjahr 2009 ins Minus (0,7 Prozent) gedrückt. Obgleich die Konsumausgaben des Staates mit 0,2 Prozent leicht im Plus lagen, minderte der inländische Konsum insgesamt das Wachstum.
Auch den schwachen Konsum betrachtet DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben nur als vorrübergehende Folge der Schuldenkrise, die die Verbraucher verunsichere: „Dem entgegen läuft der Arbeitsmarkt auf Rekordniveau: Die Arbeitslosenzahl ist die niedrigste seit 20 Jahren.“ Daher setze sich der Aufschwung in Deutschland fort, wenn das Wachstum auch auf Normalkurs einschwenke: „Das ist kein Grund für Depressionen - denn die Auftragsbücher sind nach wie vor voll.“
Volkswirte machen auch Sondereffekte für das schwache Plus verantwortlich. Das milde Wetter im ersten Quartal hatte die Bauinvestitionen um 7,0 Prozent steigen lassen, daher gingen sie nun erwartungsgemäß um 0,9 Prozent zurück.
Außerdem habe das Aus einiger Atomkraftwerke das BIP um etwa 0,2 Prozent gedrückt, analysierte Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen: „Ohne diese Effekte wäre das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 0,6 bis 0,7 Prozent gestiegen.“
Auf Jahressicht wuchs die Wirtschaftsleistung nach Angaben des Bundesamtes preisbereinigt um 2,8 Prozent. Das zeige, dass der Aufschwung in Deutschland nicht beendet ist. Die insgesamt gute Konjunkturentwicklung im ersten Halbjahr drückte auch die deutsche Defizitquote kräftig auf 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP).
Positive Impulse kamen preis-, saison- und kalenderbereinigt im Vorquartalsvergleich wieder von den Exporten. Da die Importe im selben Zeitraum aber noch stärker zulegten, rutschte der Außenbeitrag, der Saldo aus Exporten und Importen, ins Minus. Die Statistiker begründeten die höheren Einfuhren auch mit dem deutschen Atomausstieg: Strom wurde kaum noch exportiert, sondern musste verstärkt importiert werden.