Umweltschutz Vorrang für die Umwelt: Bei Rewe gibt es bald keine Plastiktüten mehr

Als erster großer Lebensmittelhändler in Deutschland verzichtet der Handelsriese komplett auf die umweltschädlichen Tragehilfen. Dafür gibt es Lob von Umweltschützern und Marketingexperten. Doch ganz allein ist Rewe mit seinem Schritt nicht.

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Berlin. Eilige Einkäufer werden schon bald bei Rewe an der Kasse vergeblich nach einer Plastiktüte fragen. Als erster großer deutscher Lebensmittelhändler stoppt der Kölner Handelsriese in seinen Supermärkten komplett den Verkauf der umweltschädlichen Tragehilfen. Das nützt der Umwelt, und wohl auch dem Image von Rewe. Das erste Handelsunternehmen, das auf Plastiktüten verzichtet, ist die Supermarktkette allerdings nicht.

Rund 140 Millionen Plastiktüten will die Handelskette im Jahr einsparen. Gemessen an den rund 6 Milliarden Tüten im Jahr, die in Deutschland insgesamt verbraucht werden, ist dies zwar nicht viel mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dennoch geht die Handelskette damit einen großen Schritt weiter als die rund 300 Einzelhandelsunternehmen, die sich seit Ende April freiwillig verpflichtet haben, Geld für die umweltschädlichen Tragebeutel zu nehmen, um den Plastiktütenverbrauch in Deutschland zu senken.

„Das ist ein entscheidender erster Schritt“, lobte der Präsident der Umweltschutzorganisation Nabu, Olaf Tschimpke. Es gehe darum, dass Kunden lernten, dauerhaft auf wiederverwendbare Taschen umzusteigen. Der Großteil von Abfällen wie Tüten und Verpackungen gelange vom Land ins Meer: „Die Reduktion von Plastiktüten ist ein wichtiger Anfang.“ Auch der Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU findet lobende Worte: „Das ist eine mutige, vor allem aber richtige Entscheidung“, meinte er. Der Handelskonzern stärke damit sein Image als umweltbewußtes und nachhaltig agierendes Unternehmen. Er ist überzeugt, „dass diese Aktion Nachahmer finden wird“.

Ganz allein ist Rewe mit dem Verzicht auf Plastiktüten ohnehin nicht. Der Textildiscounter KiK etwa hat schon seit Oktober 2015 aus Umweltschutzgründen keine klassischen Plastiktüten mehr im Angebot. „Die Umstellung wurden von den allermeisten Kunden sehr positiv aufgenommen. Es war ein voller Erfolg“, sagte KiK-Chef Patrick Zahn am Mittwoch. Insgesamt seien durch den Verzicht auf Plastiktüten allein bei KiK in den vergangenen acht Monaten rund 400 Tonnen Plastik eingespart worden.

Auch der Sportartikelhersteller Adidas verzichtet sei Ende April in allen eigenen Geschäften auf Plastiktüten und will dadurch rund 70 Millionen Plastiktüten im Jahr einsparen. Die meisten Rewe-Konkurrenten im Lebensmittelhandel halten dagegen weiter an der Plastiktüte fest. Das gilt für Aldi und Lidl. Aber auch in den meisten Edeka-Supermärkten wird es die umstrittenen Tragetaschen weiter geben. Auch wenn erste Edeka-Händler schon vor mehr als einem Jahr auf eigene Faust die Plastiktüten aus dem Angebot verbannt haben.

Rewe will Restbestände an Plastiktragetaschen noch bis Juli in seinen über 3000 Märkten verkaufen. Auch danach muss der Kunde, der vergessen hat, einen Beutel mitzubringen, seine Einkäufe nicht mit bloßen Händen nach Hause tragen. Doch muss wohl manchmal tiefer in die Tasche greifen. Er hat an den Rewe Kassen künftig - unter anderem - die Wahl zwischen Papiertüten für 10 oder 20 Cent, PET-Tragetaschen zu 99 Cent oder Baumwollbeuteln für 1,79 Euro.

Der Verzicht auf die Plastiktüten ist für Rewe ein kalkuliertes Risiko. Vor dem bundesweiten Verkaufsstopp testete das Unternehmen den Schritt in mehr als 130 Märkten von Kiel bis München - mit Erfolg. „Das war eine sehr positive Resonanz, viel besser, als wir gedacht hätten“, berichtete Rewe-Konzernvorstand Lionel Souque in Berlin. Die Kunden hätten ihr Verhalten sehr schnell geändert.

Den meisten Deutschen scheint die Plastiktüte ohnehin verzichtbar. Bei einer im Frühjahr veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov plädierte mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Befragten dafür, die Ausgabe von Plastiktüten in Geschäften komplett zu verbieten.

Auch Rewe-Konzernvorstand Souque musste bereits in den eigenen vier Wänden erfahren, dass viele Konsumenten in Sachen Umweltschutz weiter sind, als die Unternehmen denken. Bei der Präsentation der Rewe-Initiative in Berlin gestand er: „Ich habe eine Frau, sie ist auch Französin und sehr umweltgetrieben. Letzte Woche beim Frühstück war ich stolz und sagte, guck Cherie, wir haben was Tolles entschieden. Ich dachte sie sagt, das ist super, ich bin stolz auf dich. Aber sie sagte: Das genügt überhaupt nicht.“