VW-Gesetz: Deutschland erzielt Etappensieg vor Gericht

Luxemburg (dpa) - Etappensieg vor Gericht: Deutschland muss das VW-Gesetz mit dem umstrittenen Vetorecht für das Land Niedersachsen wohl nicht ändern.

Die Bundesregierung habe ein früheres EU-Urteil bereits vollständig umgesetzt und müsse nicht nachbessern, schrieb ein einflussreicher Gutachter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am Mittwoch.

Er sprach sich überraschend dafür aus, die Klage der EU-Kommission abzuweisen. Damit würde Deutschland um die von der EU-Behörde beantrage Geldbuße von mindestens 63 Millionen Euro herumkommen.

Das eigentliche Urteil folgt erst in einigen Monaten. Das Gutachten gilt als aber Vorentscheidung, weil der Gerichtshof diesem in der Regel folgt, auch wenn es nicht bindend ist. Zu der Frage, ob die Sperrminorität Niedersachsens für sich genommen gegen EU-Recht verstößt, äußert sich der Gutachter nicht.

Dies sei nicht Sache des vorliegenden Gerichtsverfahrens. Er habe nur untersuchen müssen, ob Deutschland dem geforderten Gesamtpaket an Änderungen nachkam - und nicht, ob jeder Passus aus dem Paket isoliert betrachtet legal ist.

Seit Jahren schwelt die Auseinandersetzung zwischen Berlin und Brüssel. Die EU-Behörde ist der Auffassung, dass das VW-Gesetz mit der Vetochance für Niedersachsen gegen EU-Recht verstößt. Brüssel verlangt, die Sonderregelung abzuschaffen, die dem Bundesland als Anteilseigner ein Blockaderecht bei wichtigen Entscheidungen wahrt.

Bereits 2007 hatte der EuGH nach einer ersten Klage der Kommission entschieden, das VW-Gesetz laufe EU-Recht zuwider und müsse geändert werden. Es verletzte die Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU dreifach: Bund und Land konnten je zwei Vertreter im VW-Aufsichtsrat stellen, die Stimmrechte der Aktionäre waren auf 20 Prozent begrenzt und die Sperrminorität betrug 20 statt der sonst im Aktienrecht üblichen 25 Prozent.

Die Bundesregierung hatte daraufhin die ersten beiden Regeln abgeschafft, hielt aber an der Sperrminorität fest, so dass die EU-Kommission 2012 erneut klagte.

Der Gutachter stärkt Berlin nun eindeutig den Rücken: „Deutschland ist dem ursprünglichen Urteil des Gerichtshofs von 2007 vollständig nachgekommen.“ Entscheidend sei: Das Gericht habe nur die Kombination von Höchststimmrecht und Sperrminorität gerügt, nicht aber das Vetorecht an sich.

Der EU-Kommission ist die Sperrminorität ein Dorn im Auge. Ihrer Meinung nach schreckt sie Investoren ab, behindert Innovationen und kann zu steigenden Preisen führen. Deshalb verstoße sie gegen EU-Recht. Politiker und Gewerkschaften fürchten dagegen um den Schutz des Autobauers vor feindlichen Investoren und um die Mitbestimmung.

Die Richter können in ihrem endgültigen Urteil die Klage nun abweisen - sie könnten aber auch weitere Änderungen verlangen oder ein anderes Bußgeld verhängen. Eine solche Strafe müsste die Bundesrepublik zahlen - nicht VW.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte das Gutachten: „Ich bin zuversichtlich, dass die besseren Argumente am Ende auch die Richter des Europäischen Gerichtshofs überzeugen werden.“

Die EU-Kommission äußerte sich dagegen inhaltlich nicht und verwies lediglich darauf, dass das Urteil des EuGH und nicht das Gutachten am Ende entscheide. Theoretisch könnte die Kommission auch noch weitere Klagen einreichen.

Volkswagens Betriebsratsboss Bernd Osterloh sprach von „einem guten Tag für die Belegschaften bei Volkswagen“. Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) sagte, das Votum lasse auf ein ähnlich lautendes Urteil des Gerichtshofs hoffen.

Sollte der EuGH Deutschland dennoch verurteilen und eine Strafe anfallen, empfiehlt der Gutachter niedrigere Tagessätze als von der EU-Kommission verlangt. Die von der EU-Behörde berechnete Strafe belief sich bis Mittwoch auf rund 63 Millionen Euro - rund 31 000 Euro pro Tag seit dem Urteil 2007. Der Gutachter schlägt vor, einen niedrigeren Pauschalbetrag von rund 8870 Euro pro Tag anzusetzen.