VW-Skandal: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen VW-Mitarbeiter
Wolfsburg/Braunschweig (dpa) - Die juristische Aufarbeitung des Abgas-Skandals bei Volkswagen nimmt Fahrt auf. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig leitete gegen mehrere Mitarbeiter des Autobauers Ermittlungsverfahren ein.
Das sagte eine Sprecherin der Behörde und bestätigte damit einen Bericht der Branchenzeitung „Automobilwoche“. Unterdessen spürt der VW-Konzern trotz Abgas-Affäre in Europa auch beim Bestelleingang noch keine Auswirkungen des Skandals. In Deutschland wachse seit dem Bekanntwerden der Manipulationen vor rund einem Monat sogar die Zahl der Bestellungen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen des Konzernvertriebs.
Im Zuge der juristischen Aufarbeitung hatte es bisher zwar ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Betrug gegeben, zunächst jedoch ohne konkrete Beschuldigte. Über die Identität der Beschuldigten wollte die Sprecherin keine Angaben machen, es gehe allerdings nicht um die erste Führungsriege des Konzerns. Das Verfahren könne sich aber noch ausweiten. „Tendenziell werden es mehr als weniger Beschuldigte, je tiefer wir graben“, sagte ein Sprecher.
Anfang Oktober hatten die Ermittler bei einer Razzia in der Wolfsburger Konzernzentrale Unterlagen und Datenträgern beschlagnahmt. Europas größter Autokonzern hatte rund drei Wochen vor dieser Aktion eingeräumt, mit einem Computerprogramm die Abgaswerte bei Dieselwagen manipuliert zu haben.
Dabei gab es zunächst einige Verwirrung um die Ermittlungen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Die hatte am 28. September mitgeteilt, wegen der weltweiten Abgas-Manipulationen an Diesel-Fahrzeugen aufgrund von Strafanzeigen gegen Winterkorn ein Ermittlungsverfahren gegen den Ex-VW-Chef eingeleitet zu haben, musste sich aber anschließend korrigieren. Tatsächlich gab es nur ein Verfahren ohne konkrete Beschuldigte. Sowohl die Behörde als auch Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) hatten sich für die Panne bei Winterkorn entschuldigt.
VW drohen Milliardenkosten durch Strafzahlungen und Klagen. Der Konzern hatte bereits 6,5 Milliarden Euro als Reserve zurückgestellt. Die Summe schlägt im dritten Quartal voll zu Buche, wie VW bereits angekündigt hatte. Daher dürfte der Autokonzern an diesem Mittwoch den ersten Quartalsverlust seit vielen Jahren ausweisen.
Beim Bestelleingang ist das Bild europaweit uneinheitlich. So seien die Diesel-Bestellungen in Großbritannien abgesackt, was VW als direkte Folge der Affäre wertet, hieß es in Kreisen des Konzernvertriebs. Unter dem Strich schlage der Skandal aber bislang nicht aufs Geschäft durch. Bisher war das nur für die Kennziffer Absatz bekannt - also für die Kette hinter den Bestellungen. Hierzulande vergehen zumindest bei den privaten Autokäufen Wochen oder Monate zwischen dem Bestellen per Auftragseingang und dem Ausliefern, also dem eigentlichen Absatz.
Teuer wird die Aufarbeitung für VW aber in jedem Fall, nicht zuletzt wegen der umfangreichen Nacharbeiten an den betroffenen Fahrzeugen. VW muss für die Nachbesserung der manipulierten Dieselfahrzeuge bis zu 10 000 verschiedene Lösungen ausarbeiten, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Konzernkreisen erfuhr.
Demnach ergibt sich die enorme Anzahl der Tausenden individuellen Lösungen aus der Zahl der betroffenen Motorvarianten. Sie unterscheiden sich nicht nur beim Hubraum (2,0 sowie 1,6 und 1,2 Liter), sondern etwa in der Auslegung auf Getriebe (Automatik, 5- oder 6-Gang), unterschiedliche Marken (etwa Volkswagen-Pkw, Seat, Skoda oder Audi), Modelljahre oder Märkte weltweit. Ab Januar 2016 soll laut Plan mit den Nachbesserungen begonnen werden. Dabei geht es um Softwarelösungen, aber teils auch um neue Bauteile.
Derweil zeichnet sich ab, dass der Skandal die Konzern-Finanztochter belastet. Im Portfolio der Volkswagen-Financial-Services AG finden sich bis zu eine Million betroffene Diesel-Autos. Das geht aus einem Brief der Finanztochter an Geschäftspartner vom Dienstag hervor. Für die VW-Bank könnte das teure Folgen haben, denn der Skandal schmälert möglicherweise den Wiederverkaufswert dieser Fahrzeuge, die VW etwa am Ende der Leasinglaufzeit zurücknehmen muss.