Corona-Krise Was die Wirtschaftsinstitute jetzt empfehlen

Berlin · Die bislang angekündigten Maßnahmen reichen den Experten nicht. Sie warnen vor einer Rezession – und machen Vorschläge.

 Die Ökonomen Sebatian Dullien (v.l.n.r.), Direktor des Instituts Makroökonomie und Konjunkturforschung, Peter Bofinger, Maximilians-Universität Würzburg, Gabriel Felbermayr, Präsident des Institut für Weltwirtschaft Kiel, Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, und Jens Südekum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf haben Maßnahmen gegen wirtschaftliche Folgen der Corona-Krise vorgeschlagen.

Die Ökonomen Sebatian Dullien (v.l.n.r.), Direktor des Instituts Makroökonomie und Konjunkturforschung, Peter Bofinger, Maximilians-Universität Würzburg, Gabriel Felbermayr, Präsident des Institut für Weltwirtschaft Kiel, Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, und Jens Südekum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf haben Maßnahmen gegen wirtschaftliche Folgen der Corona-Krise vorgeschlagen.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Wegen der Corona-Krise droht Deutschland in diesem Jahr eine wirtschaftliche Rezession. Prominente Ökonomen fordern deshalb rasche Gegenmaßnahmen, zu denen notfalls auch die Abkehr von der „Schwarzen Null“ gehört. Ein entsprechendes Positionspapier stellten die Volkswirte am Mittwoch in Berlin vor.

Der ehemalige Wirtschaftsweise Peter Bofinger und sein Professorenkollege Jens Südekum von der Heinreich-Heine-Universität Düsseldorf hatten die Idee, kurzfristig einen Plan zur Abwendung eines Konjunktureinbruchs zu erarbeiten und dafür weitere Experten zu gewinnen. So gingen am Ende gleich sechs bekannte Wirtschaftsforscher gemeinsam vor die Presse, darunter auch der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, und der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Sebastian Dullien.

Alle Beteiligten eint die Sorge vor einem spürbaren Abschwung in Deutschland. Um den möglichst zu verhindern, hatte schon der Koalitionsausschuss am vergangenen Sonntag ein Maßnahmepaket geschnürt. Dessen Kern ist der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld für Unternehmen, um Entlassungen trotz der Corona-Krise zu vermeiden und den Binnenkonsum am Laufen zu halten. Den Ökonomen reicht das jedoch nicht aus. „Es sind bereits jetzt weitergehende Schritte erforderlich“, heißt es in ihrem Positionspapier. Gebraucht werde ein „zielgenauer Mix an Instrumenten“, um sowohl einem Angebots- als auch einem Nachfrageschock zu begegnen, erklärte Südekum. Peter Bofinger wies auf die zentrale Bedeutung der Psychologie in jeder Krise hin. Die Bundesregierung müsse klar und deutlich formulieren, dass sie in der Lage sei, die Folgen der Epidemie einzudämmen. Nachfolgend die wichtigsten Vorschläge:

Liquiditätshilfen

In ihrem Beschluss vom Sonntag hatten die Regierungsparteien lediglich in allgemeiner Form entsprechende Maßnahmen für Unternehmen in Aussicht gestellt. Die Ökonomen fordern nun konkret eine Ausweitung zinsgünstiger Darlehen durch die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), großzügigere Abschreibungserleichterungen sowie eine zinslose Stundung von steuerlichen Voraus- und Nachzahlungen. „Die Stundung sollte solange bestehen, bis die Corona-Krise definitiv überwunden ist“, heißt in dem Plan.

Solvenzhilfen

Damit Unternehmen nicht pleitegehen, ist aus Sicht der Experten eine zeitweilige Herabsetzung der Einkommen- und Körperschaftsteuer geboten. Ausdrücklich befürwortet wird auch eine vorgezogene Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags bereits zum 1. Juli. Ein entsprechender Vorstoß der SPD in der Großen Koalition wird bislang von der Union blockiert.

Schulden

In diesem Jahr soll der Bundesetat bereits zum siebten Mal in Folge ohne neue Kredite auskommen („Schwarze Null“). Das darf aus Sicht der Ökonomen aber kein Tabu sein. „Wenn erforderlich, muss zur Behebung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise von der Schwarzen Null im Staatshaushalt abgewichen werden“, schreiben die Volkswirte. Auch müssten die „Spielräume“ der Schuldenbremse genutzt werden, so die Experten. Nach dem Grundgesetz kann der Bundestag im Falle von „außergewöhnlichen Notsituation“ eine Überschreitung der Kreditobergrenzen beschließen.

Rettungsfonds

Für den Fall, dass die Corona-Krise doch aus dem Ruder läuft, regen die Volkwirte als „ultima ratio“ staatliche Kapitalbeteiligungen an Unternehmen an. Bereits in der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 hatte es solche Rettungsmaßnahmen für bestimmte Banken gegeben.

Nach Einschätzung der Wissenschaftler spricht vieles dafür, dass Deutschland der Höhepunkt der Produktionsausfälle wegen der gestörten internationaler Lieferketten noch bevorsteht. So hätten die Betriebsschließungen in China ihren Zenit Anfang Februar erreicht. Durch die zeitliche Verzögerung auf dem Transportweg würden sich die Auswirkungen hierzulande aber erst ab Mitte März „mit voller Wucht“ zeigen, so die Prognose der Experten. In ihrem aktuellen Jahreswirtschaftsbericht geht die Bundesregierung für 2020 noch von einem Wachstum von 1,1 Prozent aus (2019: 0,6 Prozent). Bofinger und seine Fachkollegen erwarten nun im besten Fall ein Mini-Plus von 0,1 Prozent.