Weltbild-Insolvenz: Weiter Kritik an kirchlichen Eigentümern
Augsburg (dpa) - Nach der Insolvenz des Weltbild-Verlags wächst die Kritik am Finanzierungsstopp der katholischen Kirche für die Unternehmenssanierung.
Gegenüber den mehr als 6000 Beschäftigten sei die Entscheidung der katholischen Bischöfe, den Geldhahn zuzudrehen, ein riesiger Skandal, sagte der Augsburger Verdi-Sprecher Thomas Gürlebeck am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. Die Laienbewegung „Wir sind Kirche“ forderte eine vollständige Transparenz der kirchlichen Entscheidungen. Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) sieht noch Chancen für eine Rettung der Verlagsgruppe.
Gribl berief sich dabei auf die Ergebnisse eines Runden Tisches, zu dem er am Samstag geladen hatte. Nach dem knapp zweieinhalbstündigen Gespräch sagte er, man gehe derzeit von einer positiven Prognose für eine Fortführung des Unternehmens aus. Dieser Optimismus stütze sich auch darauf, dass ja ein ausgearbeitetes Konsolidierungskonzept vorgelegen habe und dieses auch mit den Banken abgestimmt gewesen sei.
An diesem Konzept hätten namhafte Wirtschaftsprüfer wie KPMG und Andersch mitgewirkt, betonte Timm Bossmann, einer der Verdi-Vertrauensleute bei Weltbild, nach der Gesprächsrunde bei Gribl. „Und plötzlich zieht die Kirche den Stecker, das kann keiner nachvollziehen in Augsburg.“ Man dürfe auch nicht vergessen, dass die Kirche in den vergangenen 20 Jahren extrem gut am Weltbild-Verlag verdient habe. Der Gewerkschaft vermutet, dass eher kirchenpolitische statt wirtschaftliche Gründe den Ausschlag für den Insolvenz-Antrag gegeben haben.
„Die Insolvenz-Anmeldung stinkt zum Himmel“, sagte Verdi-Sprecher Gürlebeck. Sie stehe im diametralen Gegensatz zur katholischen Soziallehre und den Prinzipien des Christentums. „Die Bischöfe stehlen sich aus ihrer Verantwortung.“ Von den angeblich bis zu 160 Millionen Euro, die laut Aufsichtsrat in den kommenden drei Jahren für die Sanierung nötig sein sollten, sei bisher niemals die Rede gewesen.
Der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, betonte hingegen, die Kirche sei vom gestiegenen Kapitalbedarf überrascht worden. „Wir konnten es als Gesellschafter nicht verantworten, auf absehbare Zeit dreistellige Millionensummen aus Kirchensteuermitteln zu investieren“. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagausgabe) kündigte Marx zugleich Hilfen für die Mitarbeiter in dem finanziellen Rahmen an, den die Kirche zuletzt für eine Sanierung zugesagt habe - das wären 65 Millionen Euro. „Wir sind kein skrupelloser Unternehmer, der die Mitarbeiter einfach davonjagt.“ Allerdings müsse erst der Insolvenzverwalter den tatsächlichen Bedarf ermitteln.
„Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Weisner forderte Aufklärung, warum die zunächst geplante Umwandlung der Verlagsgruppe in eine Stiftung nicht geglückt sei. Es sei sehr bedauerlich, dass die vorliegenden Sanierungskonzepte nicht konsequent umgesetzt oder weiterentwickelt worden seien. Offensichtlich hätten interne Differenzen zwischen den kirchlichen Gesellschaftern hier eine entscheidende Rolle gespielt.
Es bleibe die Frage, warum es trotz erheblicher kirchlicher Unterstützung nicht gelungen sei, ein Wirtschaftsunternehmen nach ethischen Grundsätzen zu führen. Immerhin habe Weltbild einen Marktanteil von etwa 20 Prozent im Buchhandelsgeschäft und sei in Deutschland die Nummer Zwei nach Amazon, betonte Weisner.
OB Gribl will die Gespräche am Runden Tisch in den kommenden Wochen fortsetzen. An der ersten Runde hatten neben den Chefs der Wirtschaftskammern auch Vertreter des Betriebsrats, der Gewerkschaft Verdi und der Augsburger Arbeitsagentur teilgenommen, Vertreter von Unternehmensleitung und Kirche waren aber noch nicht dabei.
Nach der ersten Gesprächsrunde betonten die Teilnehmer einmütig, dass die kirchlichen Gesellschafter weiter in der Verantwortung für das Unternehmen stünden. „Von den Gesellschaftern wird erwartet, dass sie zum Fortbestand des Unternehmens in erheblicher Weise beitragen“, heißt es in einem Ergebnispapier zu dem Gespräch.
Weltbild ist eines der größten Medienhäuser in Europa und gehört zwölf katholischen Diözesen in Deutschland, dem Verband der Diözesen Deutschlands sowie der katholischen Soldatenseelsorge in Berlin. Der Verlag hatte am Freitag Insolvenz beantragt, weil der Aufsichtsrat keine Finanzierungsmöglichkeit für eine Sanierung mehr sah. Der Verlag litt zuletzt auch unter der Konkurrenz des US-Giganten Amazon. Konkreter Auslöser für die aktuellen Schwierigkeiten war nach Unternehmensangaben ein Umsatzrückgang in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2013/14.