Weltwirtschaft kommt in Schwung
Washington/Davos (dpa) - Die wirtschaftliche Erholung in Europa wird nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) von der Gefahr einer Deflation bedroht. Derzeit sei von einem Preisverfall zwar kaum auszugehen, betonte die Organisation in ihrem neuesten Konjunkturausblick am Dienstag.
Aber die Zentralbank EZB dürfe ihn auch nicht mit Zinssteigerungen heraufbeschwören, erklärte IWF-Chefökonom Olivier Blanchard. Eine Deflation ist eine gefährliche Abwärtspirale aus rückläufigen Preisen und schrumpfender Wirtschaftsleistung.
Der jüngsten IWF-Prognose zufolge nimmt die Weltwirtschaft wieder Fahrt auf. Für dieses Jahr rechnet die Organisation mit 3,7 Prozent Wachstum weltweit - und korrigierte ihre Vorhersage erstmals seit fast zwei Jahren leicht nach oben. „Die Bremsen für die Erholung werden nach und nach gelöst“, sagte Blanchard. „Das Finanzsystem heilt langsam. Die Unsicherheit lässt nach.“ Insgesamt seien die Aussichten aber nicht ungetrübt.
Die Erholung sei brüchig und das Risiko einer neuen Krise längst nicht gebannt, sagte er. IWF-Chefin Christine Lagarde will am Donnerstag auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) über die Herausforderungen der Weltwirtschaft sprechen. Bereits in der vergangenen Woche warnte sie vor zu großer Euphorie.
Die Weltbank hatte sich zuletzt ebenfalls zuversichtlich geäußert und ein leicht geringeres Plus von 3,2 Prozent für 2014 vorausgesagt. In den Folgejahren werde das Wachstum noch stärker zulegen, berechneten beide Organisationen. Der IWF geht von 3,9 Prozent für 2015 aus. Auch für Deutschland fiel der IWF-Ausblick etwas positiver aus als noch im Herbst. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll danach in diesem Jahr um 1,6 Prozent zulegen. Die Weltbank rechnet sogar mit satten 1,9 Prozent Wachstum.
Auch die anderen Industriestaaten kommen rund sechs Jahre nach Ausbruch der weltweiten Finanzkrise wieder in Schwung. Die Eurozone soll laut IWF dieses Jahr um 1,0 Prozent zulegen, 2015 um 1,4 Prozent. Für die US-Wirtschaft geht es deutlich aufwärts, ihr sagt der Währungsfonds für 2014 ein Plus von 2,8 Prozent voraus.
China muss laut IWF in diesem Jahr abermals nur mit 7,5 Prozent Wachstum rechnen, Indien und afrikanische Länder südlich der Sahara behielten ihre Rolle als Wachstumsmotoren. Trüber ist der Ausblick für Russland: Politische Unsicherheit und geringe Investitionsbereitschaft bereiteten dem Land Probleme, hieß es. Der IWF korrigierte seine Prognose um einen Prozentpunkt nach unten auf 2,0 Prozent.
Die Erholung der globalen Wirtschaft spiegelt sich auch in der Stimmung der Spitzenmanager wider. 44 Prozent rechnen mit einer Belebung in den kommenden Monaten - doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. „Die Zuversicht unter den Topmanagern beginnt wieder zu wachsen“, sagte Norbert Winkeljohann, Vorstandssprecher von PricewaterhouseCoopers (PwC) Deutschland, zur Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft. „Sie haben ihre Unternehmen erfolgreich durch die Krise geführt und wechseln nun aus dem Überlebensmodus in Wachstums-Programme.“ PwC hat 1344 Manager in 68 Ländern befragt und das Ergebnis am Dienstag veröffentlicht.
Die größte Zuversicht zeigen Vorstandschefs in Westeuropa. Deutsche Spitzenmanager sind allerdings zurückhaltender als viele andere, wenn es um die Umsatzentwicklung geht: Nur ein Drittel erklärt laut PwC, „sehr zuversichtlich“ zu sein, den Umsatz ihrer Unternehmen 2014 steigern zu können - in Russland und Mexiko gaben dies mehr als die Hälfte der Befragten an.
Weiterhin gut ist die Stimmung deutscher Finanzexperten, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag in Mannheim mitteilte. Die Bewertung der aktuellen Wirtschaftslage stieg im Januar auf den höchsten Stand seit Mai 2012. Die Konjunkturerwartungen liegen demnach weiterhin hoch bei 61,7 Zählern, wenn es auch zum Jahresanfang einen leichten Dämpfer gab.
Bei aller Zuversicht warnte der IWF nachdrücklich vor Risiken. Die Deflationsgefahren in der Eurozone und in Japan müssten ernst genommen werden. Der IWF räumte aber ein, dass der Spielraum der Notenbanken für weitere Zinssenkungen sei nur noch gering sei. Sie dürften ihre Konjunkturhilfen nicht überstürzt verringern. Das gelte auch in Hinblick auf Schwellen- und Entwicklungsländer. Sie müssten Zeit bekommen, sich auf den Kapitalabfluss einzustellen, wenn die Zinsen in den reicheren Staaten wieder stiegen.