Wirtschaft Wer bekommt das Geld für Plastiktüten?
Viele Einzelhändler geben die Verpackung aus Umweltschutzgründen nicht mehr kostenlos ab. Die wenigsten Unternehmen sagen aber, was sie mit den Einnahmen machen.
Düsseldorf. Seit dem 1. Juli 2016 geben viele Einzelhändler Plastiktüten nicht mehr kostenlos ab. Ob Supermarkt, Buch- oder Textilhandel, die Kunden müssen zwischen fünf und 50 Cent für eine Plastiktüte bezahlen. Wie teuer genau, das legt jedes Unternehmen selbst fest. „Die Gebühr muss angemessen sein“, sagt Anne Linnenbrügger-Schauer, Sprecherin des Handelsverbands NRW. Nur die sehr dünnen Tüten, etwa für Obst und Gemüse, wechseln weiterhin gratis den Besitzer.
Bislang haben nach Angaben des Umweltministeriums mehr als 350 Firmen die Vereinbarung unterzeichnet. Mit dieser freiwilligen Selbstverpflichtung sind knapp zwei Drittel der Plastiktüten kostenpflichtig. Aber wer bekommt das Geld? Der Hersteller? Die Händler? Oder fließt es in Kampagnen und Projekte, die der Umwelt zugutekommen?
Mit der Vereinbarung zwischen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und dem Handelsverband Deutschland soll einer EU-Richtlinie nachgekommen werden, die bis Ende 2025 eine Reduzierung auf jährlich 40 Tüten pro Einwohner vorsieht. Um das Ziel zu erreichen, unterstützen Umweltverbände und Bürger die Städte.
Wie zum Beispiel die Düsseldorferin Elita Wiegand, die bereits 2015 die Initiative „Plastiktüten verhüten“ ins Leben rief und sich die Landeshauptstadt als erste plastiktütenfreie Stadt Deutschlands wünscht. Da die Öko-Bilanz zur Herstellung von Papiertüten nicht viel besser ist, sind die Anhänger ihrer Initiative stets mit Korb oder Rucksack, Hackenporsche oder Stofftasche unterwegs. „Es wäre zu begrüßen, wenn das Geld in Umweltprojekte ginge“, sagt Wiegand. „Aber was mit den Mehreinnahmen passiert, ist nicht geklärt.“
Laut Bundesumweltministerium liegen keine Daten über die Einnahmen aus der entgeltlichen Abgabe vor. Wäre die Abgabe gesetzlich vorgeschrieben, gingen die Einnahmen an den Staat und müssten zweckgebunden ausgegeben werden. Da die Vereinbarung freiwillig geregelt ist, verbleibt das Geld aus dem Plastiktüten-Verkauf bei den Händlern. Die können frei entscheiden, wofür sie das Geld einsetzen. Einige unterstützen damit Umweltprojekte. Einen offiziellen Fonds, aus dem Umweltschutzprojekte oder -initiativen finanziert werden, gibt es nicht.
„Die Händler handhaben das unterschiedlich“, sagt Anne Linnenbrügger-Schauer. „Einige Händler haben Plastiktüten komplett aus ihrem Programm verbannt. Andere nutzen das Geld für Spendenaktionen.“ So plant Galeria Kaufhof, einen Teil der Einnahmen in Umweltprojekte zu investieren. Breuninger, Saturn, Karstadt und Juppen/Prange ließen unsere Anfrage zu diesem Thema unbeantwortet.
„Uns ist bisher nur bekannt, dass die Einzelhändler die Plastiktüten an die Verbraucher verkaufen und den Erlös für sich behalten“, sagt Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW. „Anderes war nie geplant“, fügt er hinzu.
„Im Einkauf kostet eine Plastiktüte 0,6 Cent“, sagt Thomas Fischer, Leiter für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Die Einnahmen bleiben bei den Unternehmen. Damit kann man richtig viel Geld verdienen.“ Sinnvoll wäre es, „mit den Einnahmen Kampagnen zur Vermeidung von Abfall oder Umweltschutzprojekte zu finanzieren“.
Kritisch sieht Thomas Fischer die Unverbindlichkeit der Gebühr. Nach wie vor werde jede zweite Tüte kostenlos herausgegeben. „Es gibt keine Sanktionsmechanismen. Jeder Händler kann jederzeit wieder aussteigen.“ Zudem sei der Preis für die Einwegplastiktüten viel zu gering. Die DUH fordert eine pauschale Abgabe von 22 Cent, die dem Staatshaushalt zugutekommen soll, wie es etwa in Irland der Fall ist. Auf der Insel wurde die Plastiktütenflut im Jahr 2002 durch gesetzliche Maßnahmen eingedämmt, als Folge hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch von 328 auf 16 Tüten reduziert. „Wären die Plastiktüten teurer, würde der Verbrauch gegen null gehen und das Problem wäre in kürzester Zeit gelöst“, ist Fischer überzeugt.