Wetter macht Wein zum raren Gut

Langer Winter, viel Regen — die deutschen Winzer ernten deutlich weniger. Das wird die Preise für Verbraucher steigen lassen und gefährdet die Marktposition mancher Produzenten.

Winningen. In diesem Herbst muss an der Mosel alles ganz schnell gehen: Die Winzer Claus-Martin und Thomas Richter und ihre zehn Erntehelfer sind praktisch rund um die Uhr im Einsatz — solange es draußen hell ist, werden die Trauben im Weinberg gelesen, danach folgt direkt die Verarbeitung im Keller des alteingesessenen Weinguts Richard Richter. 18-Stunden-Schichten sind Ende Oktober bis Anfang November in den Terrassenlagen der Mosel die Regel. Die Ernte von sieben Hektar muss in zwei Wochen eingebracht werden. Üblicherweise dauert die Lese mindestens drei Wochen.

„Blitzernte“ ist die Devise, Schadensbegrenzung gegen die Fäulnis das Ziel. Vor allem bei den Winzern, die auf Qualitätsweine setzen und die Trauben so lange wie möglich reifen lassen wollen. Denn in diesem Jahr sind die extremen Wetterverhältnisse der größte Gegner: Der besonders lange Winter hat erst spät eine Blüte zugelassen, hinzu kam viel Regen, der im Herbst die Fäulnis förderte. „In der Regel haben wir 500 Liter pro Quadratmeter im Jahr, dieses Jahr sind es bis zu 800“, bilanziert Claus-Martin Richter. Die Folge: Auch wenn die Qualität bleibt, schrumpft die Menge drastisch. „Üblicherweise ernten wir 65 Hektoliter pro Hektar, diesmal sind es nur 29.“ Vom goldenen Herbst keine Spur, es ist die kleinste Ernte seit 1945.

Wie den Richters geht es auch vielen anderen Winzern: „Es waren sehr schwierige Witterungsverhältnisse“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI). Das habe den Ertrag der deutschen Anbaugebiete drastisch reduziert. Manche Winzer hätten mehr als ein Drittel weniger eingefahren. „Im Schnitt wurden in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren 9,26 Millionen Hektoliter Weinmost

erzielt — dieses Jahr werden es aber nur 8,3 Millionen sein.“ Die Folge: In manchen Bereichen könnten die Preise für die Kunden anziehen. Das gelte aber wohl vor allem für Qualitätsweine und nicht für Billigprodukte. Die günstigen Massenmarken werden bereits früher im Herbst geerntet, weil die Produzenten dabei auf Masse statt Klasse setzen. Denn je länger die Traube am Weinstock ist, desto besser wird sie, dabei aber auch kleiner. Konsequenz: „Bei Qualitätsweinen ist eine Preiserhöhung hingegen nötig — aber sie muss mit Fingerspitzengefühl erfolgen“, warnt Büscher, der mit einigen Cent Aufschlag pro Liter rechnet. Denn für die deutschen Winzer geht es langfristig um Marktanteile.

Während die Saison in Deutschland geradezu ins Wasser fiel, verzeichnete die Konkurrenz in Spanien und Frankreich große Zuwächse. „Wenn deutsche Winzer nun weniger liefern können oder gar rationieren müssen, werden manche Großkunden den Anbieter wechseln“, sagt Büscher. Das gelte vor allem für die Gastronomie, die mit festgelegten Mengen kalkuliert. Laut Büscher ist Deutschland bereits jetzt der größte Weinimporteur weltweit. Und der Anteil steige zudem, weil in Deutschland Weinlagen reduziert werden.

Viele Weingüter müssen deshalb ans Eingemachte gehen und ihre Reserven aus dem Keller holen. „Wir haben noch einige Bestände vom Jahrgang 2011, die wir jetzt anbieten, um unsere Kunden zu versorgen“, bestätigt Claus-Martin Richter.

Doch ist das nicht bei allen möglich: „Bereits 2010 war für viele Weinproduzenten ein schwieriges Jahr. Insgesamt wurden nur sieben Millionen Hektoliter geerntet“, sagt DIW-Experte Büscher. Wenn kleine Weingüter angesichts der aktuellen Lage nun am Markt nicht flexibel reagieren könnten, könne die Großwetterlage 2013 durchaus existenzgefährdend werden.