Wirtschaftsforscher trauen Deutschland anhaltenden Boom zu
Kiel/Halle/Frankfurt (dpa) - Wirtschaftsforscher trauen der deutschen Wirtschaft einen anhaltenden Boom zu. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hob am Donnerstag seine Prognose für 2015 von 1,7 auf 1,8 Prozent an.
Für 2016 rechnen die Experten sogar mit 2,0 Prozent. „Insgesamt zeichnet sich ab, dass die ökonomische Aktivität in Deutschland allmählich in die Hochkonjunktur expandiert“, resümierte das IfW.
„Deutschland lebt derzeit auf der Sonnenseite der Konjunktur“, sagte der Leiter des IfW-Prognosezentrums, Stefan Kooths. Auch bei der Deutschen Bundesbank wächst der Optimismus. Sie traut der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr ein Wachstum von 1,5 Prozent zu, nach 1,0 Prozent vorhergesagt im Dezember. Im vergangenen Jahr hatte die größe Volkswirtschaft der Eurozone um 1,6 Prozent zugelegt.
In diesem Jahr stimulieren laut IfW besonders Konsumausgaben und Wohnungsbauinvestitionen der privaten Haushalte die Konjunktur. Die niedrigen Inflationsraten trieben den privaten Konsum an. Im nächsten Jahr dürften die Unternehmensinvestitionen zur zweiten Säule des Aufschwungs werden, hieß es weiter.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte in Frankfurt, die Unternehmen profitierten unter anderem vom niedrigen Ölpreis und der Abschwächung des Euro-Kurses. Die Verbraucher seien in Konsumlaune, dazu trügen auch die gestiegenen Tarifverdienste und die niedrige Inflation bei. Zudem dürfte die Arbeitslosigkeit weiter sinken.
In der vorigen Woche hatte das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) seine Prognose für Deutschland für 2015 kräftig auf 1,9 Prozent erhöht. Die deutsche Wirtschaft sei mit viel Schwung ins Jahr gestartet, analysierte das Kieler IfW am Donnerstag. Die Kapazitätsauslastung der Industrie liege bereits leicht über dem Normalwert. Die Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie noch nie im vereinten Deutschland und wie sonst nirgend in der EU. Das Institut rechnet mit weiteren spürbaren Rückgängen auf Quoten von 6,4 Prozent in diesem und 6,1 Prozent im nächsten Jahr.
Das IfW sieht allerdings auch ein Risiko: Im nächsten Jahr werde die deutsche Wirtschaft mehr und mehr an die Schwelle zu einer merklichen Überdehnung ihrer Kapazitäten geraten. Kooths spricht von einer „Überdehnung, die mittelfristig in die Überhitzung führen kann“. Jeder Boom sei seiner Natur nach nicht nachhaltig und müsse früher oder später durch eine Anpassungsrezession korrigiert werden.
Das mit einem Boom verbundene Risiko sei für Deutschland derzeit besonders ausgeprägt, weil die niedrigen Zinsen eine Fehlverwendung von Kapital besonders wahrscheinlich machten. So offenbare der Immobilienmarkt mancherorts Übertreibungen.
Die Konjunktur im Euroraum hat sich laut IfW weiter gefestigt, wobei der Aufschwung moderat bleibe. 2015 werde das Bruttoinlandsprodukt um 1,3 steigen, 2016 voraussichtlich um 1,7 Prozent.