Zuckerhersteller sehen harte Zeiten kommen
Braunschweig/Mannheim (dpa) - Mit dem nahen Ende der EU-Zuckerquote sehen Europas größte Zuckerhersteller Nordzucker und Südzucker ihre Geschäftsmodelle vor einschneidenden Reformen.
„Für alle sieben Länder, in denen wir Rüben ankaufen, brauchen wir neue Konzepte“, sagte der Agrarvorstand Lars Gorissen am Donnerstag bei der Hauptversammlung von Nordzucker in Braunschweig. „Ziel ist es, auch nach 2017 unsere Werke zumindest wie bisher auszulasten.“ In rund drei Jahren, im Herbst 2017, brechen für die Branche in Europa neue Zeiten an, da die EU-Zuckermarktordnung endet und die bisher preisstützenden Angebotsregulierungen wegbrechen.
Nordzucker-Chef Hartwig Fuchs warnte: „Nach 2017 haben wir es mit global agierenden Konzernen zu tun.“ Es bestehe Zwang zum Wachsen und für neue Allianzen. Zukäufe seien für Nordzucker, dem nach Südzucker zweitgrößten Produzenten in Europa, aber kartellrechtlich heikel.
Oben auf der Agenda stehe die Internationalisierung. Fuchs nannte Afrika und Asien als Beispiele. Dagegen sei es strategisch keine Alternative, verstärkt auch in anderen Branchen Fuß zu fassen. „Wir können Zucker am besten, wir werden nicht diversifizieren.“
Konkurrent Südzucker bekommt den Preisverfall bereits deutlich zu spüren. Im ersten Geschäftsquartal (bis Ende Mai) gingen die Umsätze konzernweit um gut zehn Prozent auf 1,77 Milliarden Euro zurück, wie das im MDax notierte Unternehmen in Mannheim mitteilte. Unter dem Strich standen mit 77 Millionen Euro 54 Prozent weniger Gewinn als im Vorjahreszeitraum. Der Konzern hatte bereits Anfang April vor einer deutlich schlechteren Entwicklung im neuen Jahr gewarnt und rechnet auch für das zweite Geschäftsquartal mit einem Ergebniseinbruch.
Hintergrund ist das Auslaufen der Zuckermarktordnung in der EU Ende September 2017. Diese regulierte den europäischen Markt bislang strikt über Produktionsquoten, Einfuhrzölle und Subventionen. Durch den größeren Wettbewerb entsteht nun Preisdruck insbesondere vom Weltmarkt. Um der Entwicklung etwas entgegenzusetzen, will Südzucker verstärkt Personalkosten auf den Prüfstand stellen. Kündigungen stünden momentan nicht auf der Agenda, seien für die Zukunft aber auch nicht auszuschließen, sagte Konzernchef Wolfgang Heer.
Nordzucker-Manager Fuchs gab als Losung aus: „Wir müssen vom Markt her denken, also von hinten denken: Wie viel Zucker kann ich wann wo verkaufen?“ Dabei gehe es auch um ein neues Vertragssystem für die Rübenbauern, die den Großteil der Aktionäre bei Nordzucker stellen. Für Agrarvorstand Gorissen wird das Quotenende auch die Aufgaben der Nordzucker verändern. So wachse etwa die Bedeutung von Service und Beratung für die Landwirte. „Nur mit wettbewerbsfähigen Rüben werden wir auch zukünftig wettbewerbsfähig sein“, sagte der Agrarmanager.
Finanzvorstand Michael Noth machte zur Hauptversammlung klar, dass die Ertragskraft zwangsläufig schwinden müsse. Das Ende der Quote treibe auf dem Heimatkontinent die Produktion an. In Europa stagniere aber die Zuckernachfrage. Mehr Menge bei gleichbleibender Nachfrage erhöhe den Preisdruck. Sparbemühungen wie Energieeffizienz oder Logistik reichten als Gegengewicht nicht aus. „Der allgemeine Markttrend ist so stark, dass wir einen erheblichen Rückgang der Ergebnisse nicht vermeiden können“, sagte Noth.
Im Geschäftsjahr 2013/14 (28. Februar) war Nordzuckers Überschuss um 43 Prozent auf 209 Millionen Euro abgesackt. Nächste Woche Dienstag legt die Nordzucker AG ihre Bilanz zum Startquartal vor.