Bahngeschichte Nordbahn: Wehmut bei der letzten Fahrt

Loh. · Im Dezember 1999, vor 20 Jahren, fuhren die letzten Bahnen über die Nordbahntrasse.

Der Schnappschuss aus dem Zug zeigt den Bahnhof Loh.

Foto: Claudia Kasemann

Hätten sie damals, im trüben Dezember 1999, in die Zukunft schauen können – die Wuppertaler wären begeistert gewesen über die Entwicklung ihrer Nordbahntrasse und die Verwandlung der Gleisstrecke in einen Fuß- und Radweg. Begeistert und sicher auch ganz schön verwundert.

Doch vor 20 Jahren war Stimmung angesichts des sichtbaren Niedergangs der legendären Nordbahn einigermaßen gedämpft. Auch die Fahrgäste der letzten Publikumsfahrten, die die Bahnfreunde des Arbeitskreises Bergische Eisenbahnen auf den Gleisen der ehemaligen Rheinischen Eisenbahnstrecke organisiert hatten, wirkten vor allem wehmütig. Denn es bestand wenig Anlass zu Optimismus: So lange schon hatten nicht nur Bahnfans dem Verfall der Anlagen zusehen müssen, nachdem ab Mitte der 1980er Jahre die Personenbeförderung nach und nach eingestellt worden war.

Prachtbahnhöfe und Luxusbahnanlagen waren geplant

Zuletzt hatte es noch Güterverkehr gegeben, am Ende blieb das Stück zwischen Vohwinkel und Heubruch als trauriger Rest der 1879 hoffnungsvoll eröffneten, stolzen Verbindung über die Nordhöhen präsent. Regelrechte Prachtbahnhöfe hatte die Rheinische Eisenbahngesellschaft einst geplant, um der konkurrierenden Bergisch-Märkischen Eisenbahnstrecke im Tal der Stadt Paroli bieten zu können. Allerdings ging dem Unternehmen bald die Luft und noch schneller das Geld aus - 1886 wurde die Gesellschaft verstaatlicht.

Rund 100 Jahre aber pendelten Züge über die Strecke, auch wenn es zuletzt immer weniger wurden, weil der Bahnverkehr durchs Tal sich endgültig durchgesetzt hatte. Nach Zeiten defizitären Betriebs stellte die damalige Bundesbahn den regulären Personenverkehr ab 1985 ein, doch das Thema Nordbahn war damit keineswegs Geschichte.

Museumsfahrten begeisterten bis zuletzt viele Wuppertaler - auch, weil sie vor mehr als 20 Jahren so schonungslos Geschichte, Entwicklung und Gegensätze zeigten: Unkraut wucherte zwischen den Bahnschwellen, an manchen Stellen waren Gras und Gestrüpp so hoch, dass der Schienenbus sie während der Museumsfahrten beim Überfahren regelrecht niedermähte. Jahrelang schon hatte sich niemand mehr um die Pflege gekümmert, und so konnte nicht nur auf der Bahnstrecke zwischen Vohwinkel und Heubruch die Natur wieder überhand gewinnen.

Schlimmer noch als das Unkraut war damals der Müll. Immer wieder missbrauchten vermeintliche Abenteurer die dunklen Tunnel und einsamen Brücken der Trasse für Gelage. Manch einer entsorgte gar seinen Metall- und Elektroschrott im Gebüsch neben den Gleisen, die für viele Wuppertaler ein Leben lang zum Alltag gehörten und die wichtigste Verbindung der nördlichen Stadtbezirke waren. Mal eben auf direktem Weg von Wichlinghausen in die Mirke, vom Rott zum Ostersbaum fast ohne Gefälle – das ging schnell und war bequem.

Der Anblick der verwaisten Gleise war 1999 auch deshalb so besonders trostlos, weil nicht weit entfernt, am Vohwinkler Bahnhof, bereits die Arbeiten an der heute wie selbstverständlich genutzten S-Bahn Linie 9 in Richtung Essen anstanden.

Immer etwas los auf der
heutigen Nordbahntrasse

Was sich nicht geändert hat, das sind die fantastischen Ausblicke. Vom Fenster des Schienenwagens von 1961, der auch auf einer der letzten Fahrten zum Einsatz kam, ging es über Brücken und durch Tunnel, vorbei an verlassen wirkenden Bahnhofsgebäuden wie Ottenbruch und Mirke. Am Steinweg hielt das Bähnchen mitten auf der Eisenbahnbrücke, und die Insassen bewunderten aus dem Zug die Sicht zum Alten Markt.

Im Dezember 1999 sollte dann Schluss sein. Keine Züge mehr, keine Schaulustigen, wenn eine Museumstour über die Strecke ging. Eine dekorierte Bahn mit der Aufschrift „Abschied von der Nordbahn“ markierte vor 20 Jahren das Ende einer Ära. Zeitsprung. Aus der Nordbahn ist der Jackstädtweg geworden, der längste öffentliche Verkehrsweg Wuppertals.

Seit seiner Eröffnung 2014 ist dort immer etwas los. Viele, sehr viele Menschen haben sich für die Idee eines Fuß- und Radwegs auf der alten Bahntrasse gewinnen lassen, und die Aktiven der Wuppertalbewegung haben ihr großes Ziel erreicht. „Die Nutzung der Trasse durch die Wuppertaler und auswärtigen Gäste übertrifft unsere Erwartungen sogar noch“, sagt Carsten Gerhardt, Vorsitzender des Vereins. Für seinen Kollegen Lutz Eßrich ist die Faszination Nordbahntrasse 20 Jahre nach den letzten Publikums-Bahnfahrten ungebrochen: „Es macht mich auch viele Jahre nach der Eröffnung ein wenig stolz, dass es immer noch gelingt, die ursprüngliche Begeisterung für die Nordbahntrasse in der Bevölkerung aufrecht zu erhalten.“