Alles auf Autopilot - Das selbststeuernde Fahrzeug kommt näher

Stuttgart (dpa/tmn) - Seit Jahren rüsten die Autohersteller ihre Assistenzsysteme auf. Dem Fahrer wird dadurch mehr und mehr Steuerarbeit abgenommen. In naher Zukunft könnte er gänzlich überflüssig sein.

Das selbstfahrende Auto kommt immer näher.

Die dunkle Mercedes S-Klasse fährt mit 100 Sachen über die Landstraße - und Eberhard Kaus nimmt einfach die Hände vom Lenkrad. Kurven kümmern den Mittvierziger genauso wenig wie Tempolimits. Kaus ist Forscher bei Mercedes und sein unscheinbarer Dienstwagen ein Prototyp, der den vielleicht wichtigsten Techniktrend der nächsten Jahre vorwegnimmt: das autonome Fahren.

Geht es nach den Visionen der Entwickler, werden Autos schon sehr bald so intelligent sein, dass der Fahrer zum Passagier wird und die Elektronik die Führung übernimmt. Zwar wollen die Autohersteller dem Steuernden nicht vollends das Kommando nehmen - die Freude am Fahren ist ein wichtiges Kaufkriterium. Doch in Routinesituationen, etwa im Stau, im Berufsverkehr oder auf monotonen Fernstraßen könnte sich der Fahrer mit anderen Dingen beschäftigen. So stellt sich jedenfalls Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg die Zukunft vor.

Kaus kann noch nicht entspannen. Sein Prototyp hält zwar brav vor jeder roten Ampel, wartet am Zebrastreifen die Fußgänger ab und rollt alleine durch knifflige Kreisverkehre. Doch diese Technik wird erst in einigen Jahren serienreif sein. Noch funktioniert sie nur auf speziell vermessenen Strecken. Der Testfahrer ist permanent in Alarmbereitschaft und zum Eingreifen bereit.

Mercedes-Forschungschef Ralf Herrtwich sieht die Sache trotz der bisherigen Defizite optimistisch: Die aktuelle S-Klasse kann schon jetzt autonom durch den Stau fahren. Für eine Weiterentwicklung des Autopiloten müssten lediglich die vorhandenen Kameras und Sensoren erweitert und mit neuer Software ausgerüstet werden. Noch in dieser Dekade soll es einen Autobahnpiloten geben, der auch bei höheren Geschwindigkeiten das Kommando hat. Ein System wie in Kaus' Prototyp hält er in der übernächsten Fahrzeuggeneration für denkbar.

Carlos Ghosn, Chef von Renault und Nissan, verspricht das autonome Fahren schon für das Jahr 2020. Tesla-Chef Elon Musk hat schon für die zweite Hälfte dieses Jahrzehntes Elektrofahrzeuge angekündigt, die 90 Prozent der Fahraufgaben autonom erledigen. BMW ist mit seinen Testfahrzeugen schon vor einigen Jahren freihändig über die Autobahn gefahren. Und Audi hat seine Prototypen im Januar in Las Vegas fahrerlos durch Parkhäuser geschickt.

„Die technischen Herausforderungen sind mittlerweile absehbar und in den nächsten Jahren zu lösen“, sagt Herrtwich. Doch parallel dazu müssen auch die Gesetze angepasst werden. „Denn in der Wiener Konvention von 1968 steht, dass der Fahrer jederzeit die Kontrolle über sein Fahrzeug haben müsse“, erklärt der Forschungschef. „Die Industrie und Behörden arbeiten auf Hochtouren. Bis die Technik soweit ist, werden es die Gesetze auch sein.“

Der Autopilot kommt ohnehin nicht über Nacht, die Elektronik wird schrittweise die Kontrolle übernehmen. Automatisch einparken können Autos schon länger. Mit der Mercedes S-Klasse und dem neuen BMW X5 gibt es jetzt die ersten Fahrzeuge, die im Stau bei langsamem Tempo alleine Geschwindigkeit, Abstand und Spur halten.

Bei den Autofahrern stoßen diese Entwicklungen auf wenig Skepsis. Sie sind offenbar gerne bereit, sich das Ruder zumindest zeitweise aus der Hand nehmen zu lassen: Nach einer Umfrage von Ernst & Young können sich 42 Prozent der Deutschen vorstellen, ein führerloses Fahrzeug zu nutzen. „Wenn sie dabei zur Not selbst eingreifen können, erhöht sich dieser Anteil sogar auf 66 Prozent“, sagt Studienautor Peter Fuß. Mercedes-Forscher Eberhard Kaus wäre einer der ersten Nutzer: „Ich würde mich vom Autopiloten lieber heute als morgen in den Urlaub chauffieren lassen.“