Auto-Notrufsystem: Lebensretter oder Überwachungstechnologie?

Brüssel (dpa) - Mit voller Wucht kracht das Auto in den Baum. Der Fahrer müsste den Rettungsdienst rufen - doch er ist bewusstlos. In solchen Fällen soll künftig ein automatisches Notrufsystem helfen.

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Kritiker warnen jedoch, der Retter könne zum Belastungszeugen werden.

Automatische Notrufsysteme könnten bei Autounfällen Leben retten. Seit Jahren sind die Systeme im Gespräch, doch nur einzelne Hersteller bieten sie an. Nun will das Europaparlament den Herstellern Vorgaben machen. Ein endgültiger Beschluss steht aber noch aus.

Was isteCall?

eCall ist ein automatisches Notrufsystem für Autos. Wenn ein schwerer Unfall geschieht, wählt es automatisch die 112 und übermittelt den Standort des Fahrzeugs sowie die auf Autobahnen wichtige Fahrtrichtung. Außerdem baut es eine Gesprächsverbindung mit der Leitstelle auf. Auch manuell per Knopfdruck lässt sich der Notruf auslösen. Doch noch fehlen EU-Vorgaben. Das Europaparlament hat am Mittwoch in Straßburg lediglich seine Position für die anstehenden Verhandlungen mit den EU-Staaten beschlossen. Die Gespräche könnten im Herbst beginnen. Ob die serienmäßige Einführung von eCall bei Autos und leichten Nutzfahrzeugen auf dem europäischen Markt wie geplant im Oktober 2015 klappt, bleibt abzuwarten.

Warum braucht man so etwas?

Die Technologie soll Leben retten. Denn sie könnte einen automatischen Notruf auch dann absetzen, wenn schwer verletzte Unfallopfer nicht mehr telefonieren können. Die EU-Kommission schätzt, dass das System die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes erheblich verkürzen kann. 2500 Leben pro Jahr könnten so gerettet werden.

Was wird eCallkosten?

Wenn eCall erst großflächig eingeführt ist, soll es laut EU-Kommission „deutlich weniger“ als 100 Euro je Neuwagen kosten. Bei Mercedes in der E-Klasse schlägt es derzeit (inklusive Mehrwertsteuer) mit rund 3000 Euro zu Buche - dann ist es wie bei vielen Herstellern allerdings auch Teil eines umfassenden Audio- und Navigationssystems. Wenn solch ein System an Bord ist, mache eCall nur „ein paar Euros“ aus, erklärte ein Experte der EU-Kommission. Auch die Rettungsleitstellen müssten in einigen EU-Staaten noch für den Datenempfang ausgerüstet werden.

Führt das nicht zur völligen Überwachung der Autofahrer?

Darüber wird gestritten. So warnt der Deutsche Anwalt Verein vor dem „gläsernen Autofahrer“ und der Automobilclub von Deutschland (AvD) sieht in eCall „die technische Grundlage für eine flächendeckende Überwachungsstruktur“. Die Mahner fürchten, dass von eCall gesammelte Daten etwa zu Fahrweise, Tempo und Bremsverhalten nach einem Unfall gegen den Nutzer verwendet werden könnten. Die Abgeordneten wollen dem vorbeugen: Sie möchten eCall als „schlafendes System“ einführen, dass nur bei einem Unfall Daten sendet. Diese Informationen sollen etwa Angaben zur Fahrtrichtung, genutzten Sicherheitsgurten, dem Fahrzeugtyp und dem Unfallzeitpunkt enthalten.

Gibt es schon so etwas wieeCallauf dem Markt?

Ja. Etwa 0,7 Prozent aller Fahrzeuge in der EU haben laut EU-Kommission schon vergleichbare Technik an Bord. Die Opel-Mutter General Motors nimmt für sich in Anspruch, 1996 unter dem Namen Onstar das erste solche System ab Werk eingebaut zu haben. Onstar bot neben Verkehrsinformationen von Anfang an auch die Möglichkeit, einen Notruf abzusetzen. Dank eines eingebauten GPS-Senders ließ sich das Fahrzeug bereits damals orten. Während der Erfolg in Deutschland eher verhalten war, zählt Onstar in den USA, Kanada und inzwischen auch in China mehr als sechs Millionen Kunden. Ford bietet - auch in Deutschland - ein ähnliches System namens Sync an. Mercedes Benz hat im Juni 2012 ebenfalls einen automatischen Notruf eingeführt.

Warum soll es dann noch europäische Vorgaben geben?

Die automatischen Notrufsysteme der einzelnen Hersteller decken nicht unbedingt alle EU-Länder ab. Außerdem geht der Anruf derzeit erst an eine Leitstelle, die im Auftrag der Hersteller und dann bei Bedarf an die 112 weiter verbindet, wie die EU-Kommission erläutert. Das ist ein Umweg. Deshalb basteln die EU-Gesetzgeber an Regeln für ein einheitliches System.