Bewusstseinserweiterung im Auto - Das bringen Fahrtrainings
Koblenz (dpa/tmn) - So dicht wie Eisenbahnwaggons schieben sich die Autos am Morgen in die Stadt. Sicherheitsabstand? Pah. Braucht kein Pendler. Es könnte sich ja jemand von rechts dazwischen mogeln und wichtige Sekunden rauben.
Und es gibt schließlich Bremsen.
Hier setzen Fahrsicherheitstrainings an, die neben dem Können auch das Bewusstsein für Gefahren schärfen sollen. Teilnehmern können Risiken aufgezeigt und Tricks beigebracht werden. Ein Beispiel: „Der Sitz wird von vielen Autofahrern nur als bequemes Bauteil zum Niederlassen gesehen“, sagt Dirk Müller, Leiter des ADAC-Fahrsicherheitszentrums Koblenz-Nürburgring.
Dabei könne eine falsche Einstellung fatal sein, weil dem Fahrer zum richtigen Bremsen die angemessene Hebelwirkung fehle. „Bei unseren Teilnehmern stellen wir immer wieder fest, dass sie anfangs nur 50 bis 60 Prozent der Bremsleistung abrufen, man lässt zu viel Bremsweg liegen.“
Richtiges Bremsen, Lenken und die Kombination aus richtigem Bremsen und Lenken, das sind laut Müller die Kernthemen klassischer Fahrsicherheitstrainings. Wortwörtlich lässt sich erfahren, wie sich eine Vollbremsung in der Kurve anfühlt. Oder wie sich ein Auto auf griffiger oder glatter Fahrbahn verhält und was zu tun ist, wenn das Auto ausbricht. „Es geht um diese Dynamik und wie man sie abfedert, um Bewusstseinserweiterung“, sagt Müller.
Das betrifft Jugendliche mit ihrem sprichwörtlichen Leichtsinn ebenso wie Senioren, die aufgrund ihrer Erfahrung am Steuer womöglich überheblich werden: „Mir passiert doch nichts, ich fahre den Weg im Schlaf“, gibt Hannelore Herlan von der Deutschen Verkehrswacht eine typische, aber verhängnisvolle Einstellung erfahrener Kraftfahrer wieder.
Beim Fahrsicherheitstraining geht es um richtige Verhaltensweisen in Gefahrensituationen, die im Ernstfall unüberlegt abgerufen werden sollen. „Wenn ich erst nachdenken muss, ist es zu spät“, sagt Müller. In der geschützten Umgebung der Übungsplätze werden diese Kniffe hinterm Steuer simuliert und Reflexe trainiert, auch Ausweichmanöver. „Das geht weit über das hinaus, was man in der Fahrschule gelernt hat“, ergänzt Verkehrswacht-Sprecherin Herlan.
Das Angebot an Fahrsicherheitstrainings ist groß. Nicht nur die Verkehrsclubs bieten sie an, auch Prüforganisationen wie die Dekra oder der Tüv sowie die Verkehrswachten. Und selbst Autohersteller und Versicherungsgesellschaften mischen mit.
Um einen gewissen Qualitätsstandard zu gewährleisten, können Interessierte auf Zertifikate achten. Eine Liste von zertifizierten Anbietern pflegt etwa der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) auf seiner Webseite.
Klassische Fahrsicherheitstrainings dauern in der Regel einen Tag und kosten um die 80 bis 100 Euro. „Das ist eine gewinnbringende Investition“, sagt Müller. Es empfiehlt sich, mit dem eigenen Auto anzureisen, meistens ist das auch vorgesehen: „Darum geht es doch - dass im Alltag der Fahrer und sein Wagen aufeinander abgestimmt sind.“
Auch mancher Autobahndrängler würde nach einem Kurs wohl mit gesteigertem Risikobewusstsein vom Übungsplatz fahren. Doch es gibt ein Dilemma: Solche Typen gehören nicht zu den typischen Kursteilnehmern, wie Müller einräumt. Leider.