Bildschirme verdrängen Tacho & Co.

Babenhausen (dpa/tmn) - Der Mensch wird auch als Autofahrer zusehends zum Bildschirmarbeiter: Frei konfigurierbare Displays ersetzen die alten Analoginstrumente für Tacho und Drehzahl. Entwickler halten das für eine Notwendigkeit.

Revolution im Cockpit: In den ersten Fahrzeugen werden die klassischen Rundinstrumente hinter dem Lenkrad ausgemustert und durch Monitore ersetzt. Diese sogenannten frei programmierbaren Kombiinstrumente (FPK) folgten nicht nur der Elektronikmode, wie wir sie von Smartphones kennen, sagt Eelco Spoelder, der beim Elektronik-Zulieferer Continental in Babenhausen den Geschäftsbereich Instrumentierung und Mensch-Maschine- Schnittstelle leitet. „Sondern es geht auch darum, der wachsenden Flut an Informationen Herr zu werden, die auf den Autofahrer einströmen.“ Um diese ordentlich aufzubereiten und ablenkungsfrei zu übermitteln, brauche es immer variablere Kombiinstrumente.

Besonders deutlich wird das bei Elektrofahrzeugen wie dem Chevrolet Volt und dem baugleichen Opel Ampera, die zu den ersten Modellen mit Bildschirmcockpits zählen. Auf Monitoren, die es in Brillanz und Grafikqualität mit jedem TV-Gerät aufnehmen können, informieren sie den Fahrer über viel mehr als das Tempo. „Weil im elektrischen Fahrbetrieb die Reichweite von entscheidender Bedeutung ist und vom Fahrverhalten stark beeinflusst wird, braucht es in solchen Fahrzeugen detailliertere und variablere Anzeigen als eine Tankuhr“, sagt Pressesprecher Patrick Munsch.

Das Display illustriert den Kraftfluss und den Ladestand der Akkus, und zeigt auch einen Verbrauchstrainer, mit dem der Fahrer seinen Bleifuß kurieren und damit bessere Verbrauchswerte erzielen kann. Außerdem sind im Display auch Navigationshinweise und Informationen zum Musik- und Unterhaltungsprogramm abrufbar.

Vergleichbare Anzeigekonzepte gibt es in vielen Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. TFT-Monitore sieht man im Nissan Leaf, im Renault Zoe und demnächst auch in den BMW-Modellen i3 und i8. Doch langsam erobert diese Technologie auch konventionell angetriebene Pkw. Im Jaguar XJ und bei Range Rover gibt es sie bereits seit einigen Jahren. Beim neuen Volvo V40 halten sie derzeit sogar erstmals in der Kompaktklasse Einzug. Für 350 Euro Aufpreis montieren die Schweden anstelle der Rundinstrumente einen Monitor, der beinahe DIN A4-Format hat, so Volvo-Sprecher Michael Schweitzer.

Ganz so frei konfigurierbar wie das Display eines Telefons ist dieser Screen zwar nicht. Der Tacho bleibt immer als zentrales Element in der Mitte, und die runden Kunststoffrahmen schlagen noch eine Brücke in die alte Zeit. Doch zumindest kann der Fahrer laut Schweitzer auf Knopfdruck zwischen drei verschiedenen Szenarien wechseln. Standard ist der Elegance-Mode, der konventionellen Instrumenten am nächsten kommt. Wer in den Eco-Mode wechselt, sieht das Cockpit in einem blassen Grün und blickt auf stark hervorgehobene Verbrauchsanzeigen. Und wer im Performance-Mode unterwegs ist, bekommt ein rot glühendes Anzeigefeld mit prominentem Drehzahlmesser und einem sogenannten Powermeter, das die abrufbare Leistung anzeigt.

Nach einem ähnlichen Prinzip hat BMW die Instrumente im 7er gestaltet. Auch die Luxuslimousine aus München gibt es mit der Modellpflege im Herbst gegen Aufpreis mit einem großen Monitor, der drei unterschiedliche Szenarien für betont komfortables, sportliches oder sparsames Fahren anzeigen kann.

Wie weit sich dieses Spiel treiben lässt, hat der Zulieferer Continental mit dem sogenannten „Simplify your drive“-Auto demonstriert. Die Technologiestudie ändert mit einem Knopfdruck ihren gesamten Charakter und wechselt dann nicht nur die Abstimmung von Fahrwerk, Lenkung, Getriebe- und Motorelektronik, sondern auch die Anzeige auf dem Monitor hinter dem Lenkrad. Unterschiedliche Motive und eine veränderliche Detailfülle sollen sportliche Fahrer unterstützen, zu einer sparsamen Fahrweise animieren oder den Fahrer ruhig und gelassen ans Ziel bringen.

Den Tacho sieht Continental-Experte Spoelder 110 Jahre nach dessen Erfindung so schnell nicht vom Aussterben bedroht: Nicht nur, weil er auf vielen Bildschirmen als neue Animation im alten Design erhalten bleiben wird. Sondern auch, weil die frei programmierbaren Instrumente noch zu teuer für einen flächendeckenden Einsatz sind.