Cabrio für Könige - Der offene Rolls-Royce Silver Cloud III wird 50
Goodwood/München (dpa/tmn) - Fahren wie in Watte, sündhaft teuer und superselten: Das Rolls-Royce Silver Cloud III Drophead Coupé war einst das edelste Cabrio. Bei geschlossenem Verdeck bot der Luxusliner den Passagieren die angemessene Intimität.
Aber nur dann.
Tick, Tick, Tick. Die Uhr im Wurzelholz-Cockpit ist deutlich zu hören. „Eile mit Weile“, scheint sie zu sagen und verordnet den Passagieren jene distinguierte Gelassenheit, die einem solchen Auto gebührt. Schließlich handelt es sich hier nicht um irgendein Cabrio: Das Rolls-Royce Silver Cloud III Drophead Coupé war eines der edelsten, exotischsten und teuersten Open-Air-Modelle seiner Zeit.
Filmstars, Wirtschaftsbosse und Königshäuser konnten sich den Wagen leisten - und sonst kaum jemand. Als es vor 50 Jahren im Sommer 1963 debütierte, hatte das Cabrio einen Grundpreis von 106 800 Mark, zitiert BMW-Sprecher Manfred Grunert aus den Archiven der britischen Marke, die vor zehn Jahren von dem bayerischen Hersteller übernommen wurden.
Der Silver Cloud III war bereits die dritte Evolutionsstufe einer Modellreihe, die im April 1955 auf den Markt kam und insgesamt rund 9000 Mal gebaut wurde. Im Herbst 1962 auf der Motorshow im Londoner Earls Court zunächst als klassische Limousine vorgestellt, erging wenige Wochen später ein Auftrag an den legendären Karosseriebauer Mulliner Park Ward: Ein Coupé und ein Drophead Coupé, wie das Cabrio bei Rolls-Royce traditionell genannt wird, sollten die Baureihe zum Sommer 1963 ergänzen.
Die Karosseriebauer leisteten ganze Arbeit. Sie veränderten den Aufbau und das Heck des 5,40 Meter langen Luxusliners und schraubten ein riesiges Stoffverdeck über die vier Sitzplätze. Und sie gestalteten die Frontpartie um: Leicht schräg stehende Doppelscheinwerfer neben dem tempelgleichen Kühlergrill machten das Auto schon von Weitem unverwechselbar.
Besonders groß war die Verwechslungsgefahr ohnehin nicht. Denn vom Silver Cloud III wurden insgesamt weniger als 3000 Exemplare gebaut, und die beiden Zweitürer von Mulliner Park Ward kamen zusammen je nach Quelle auf Stückzahlen zwischen 41 und 100 Exemplare, bevor die Produktion 1966 auf den Silver Shadow umgestellt wurde.
Wer in diesen Rolls-Royce einsteigt, thront auch heute noch mehr auf den riesigen Ledersesseln, als in ihnen zu sitzen. Die Füße versinken im flauschigen Teppich. Und es bedarf eines gewissen Weitblicks, um über die lange Motorhaube und durch die Flügel der Kühlerfigur die Straße ins Visier zu nehmen.
So lange das Dach geschlossen bleibt, können sich die Passagiere fast so intim wie die Queen in ihren Privatgemächern fühlen. Doch sobald auf Knopfdruck und nach einer kleinen Ewigkeit das riesige Zeltdach nach hinten gesurrt ist, sitzen die Insassen wie auf einem Präsentierteller und können den bewundernden Blicken der Passanten nicht entgehen.
Am besten also, man fährt schnell hinaus aufs Land. Wo die Straßen leer und die Kurven weit sind, wird der Silver Cloud zu einem Luftschiff, das durch die Landschaft schwebt. Kopfsteinpflaster? Bodenwellen? Schlaglöcher? Der Rolls-Royce bügelt solche Hindernisse glatt. Die Insassen dürfen sich fühlen wie in Watte gepackt.
In Fahrt bringt den Schlitten ein V8-Motor, dem Rolls-Royce wie eh und je etwas Mystisches andichtet. Denn genaue Leistungsangaben haben die Briten damals nicht gemacht. „Ausreichend“, diese Aussage musste Kunden wie Konkurrenten lange Jahre genügen. Mittlerweile ist das Rätsel gelöst und das 6,2 Liter große Triebwerk vermessen: 162 kW/220 PS leistet der Achtzylinder und schickt sie über die samtweiche Viergangautomatik an die Hinterachse.
Für einen stürmischen Antritt wie in einem Sportwagen reicht diese Leistung zwar nicht. Aber es steht genug Kraft bereit, um den Silver Cloud trotz seiner zwei Tonnen Gewicht mühelos zu bewegen. Und die rund 200 km/h Höchstgeschwindigkeit sind ja auch nicht schlecht.
50 Jahre alt und nur in einer zweistelligen Stückzahl gebaut, ist das Silver Cloud III Drophead Coupé auch in der Oldtimerszene ein exklusiver Exot. Gehandelt wird der offene Luxusliner nur äußerst selten. Und wer einen findet, muss dafür tief in die Tasche greifen: 150 000 bis 200 000 Euro werden für ein fahrfähiges Auto schnell verlangt, wie man es in verschiedenen Sammlerbörsen im Internet nachlesen kann.
Natürlich ist das selbst für ein altes Luxuscabrio noch eine Menge Geld - doch gemessen am aktuellen Phantom Drophead Coupé fast noch ein Schnäppchen. Obwohl der längst auf mehr als die zehnfache Stückzahl kommt und damit längst nicht so rar ist, beginnen die Preise hier erst bei 453 985 Euro. Beim Oldtimer kommt hinzu, dass er nur schwer zu reparieren und restaurieren ist. Selbst BMW bringt sein Museumsexemplar zu einem Spezialisten nach London.