Der giftige Gallier - 30 Jahre Peugeot 205 GTI
Paris/Saarburg (dpa/tmn) - Er war Frankreichs wildester Feger: 1984 eiferte der Peugeot 205 dem VW Golf nach und kam als GTI auf den Markt. Im Jahr davor hatte der Hersteller den Breitensportwagen vorgestellt.
Jetzt geht das Duell Gallier gegen Golf in die nächste Runde.
Europa in den frühen 80er Jahren: Auf den Tennisplätzen stehen junge Talente wie Boris Becker und Steffi Graf, im Kino ballert ein gewisser John Rambo alles nieder. Über die Konzertbühne rollt der Sonderzug nach Pankow - und auf der linken Spur der Autobahn tobt ein erbitterter Zwergenaufstand. Denn eine Generation nach dem Debüt des VW Golf GTI gibt es plötzlich jede Menge sportlicher Kleinwagen. Ganz vorne dabei: der Peugeot 205 GTI.
Er erschien 1983 auf der Bühne, als bei VW gerade die zweite Golf-Generation ins Rollen kam, erinnert sich Ludwig Biewen aus Saarburg. Der Rheinland-Pfälzer war damals VW-Mechaniker, ist heute ausgewiesener 205-Kenner und Peugeot so sehr verbunden, dass das Löwen-Logo der Marke sogar einen seiner Zähne ziert.
Nach Biewens Einschätzung gibt es gleich mehrere Gründe, weshalb der 205 GTI auf Anhieb Freunde fand: „Das war damals Frankreichs flottester Feger“, sagt der ehemalige Rennfahrer. „Das Auto konnte bei den Fahrleistungen mit dem Golf mithalten und war mit seinem Grundpreis von 19 295 D-Mark schon beim Start deutlich billiger als die deutsche Konkurrenz.“ Kein Wunder, dass von den insgesamt 330 000 produzierten Exemplaren aus der Zeit bis 1993 knapp zehn Prozent in Deutschland verkauft wurden.
Natürlich hing das nicht nur mit Preis und Motorleistung zusammen - es war auch eine Imagefrage: frisch, frech und nicht so bieder - so überzeugte der Franzose die Kunden und die Fachpresse. Die deutsche Zeitschrift „Auto Bild“ krönte den 205 GTI damals ganz unpatriotisch zum „unbestritten reizvollsten und echtesten aller GTI“. Die Kotflügelverbreiterungen samt Seitenleisten aus dunklem Kunststoff waren zum Beispiel vor 30 Jahren noch eine echte Besonderheit.
Charme und Charakter des 205 GTI haben die Zeit überdauert. Zwar kann man mit einem 76 kW/105 PS starken 1,6-Liter-Motor heute eigentlich niemandem mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Doch wenn diese Leistung und maximal 132 Newtonmeter Drehmoment auf nur 850 Kilogramm Fahrzeuggewicht treffen, dann geht selbst mit einem 30 Jahre alten Oldtimer gut die Post ab: Nach 9,5 Sekunden zeigt der Tacho 100 km/h an, 190 km/h Spitzentempo sind möglich. Vor allem auf kleinen, kurvigen Straßen kann der 205 GTI sein Potenzial entfalten.
„Aber das war ja nur eine Einstiegsdroge“, sagt Biewen und lenkt den Blick auf eine weitere Version des 205, die ihn vollends zum Giftzwerg machte: Weil Peugeot mit dem Kleinwagenmodell auch in der Rallye-Weltmeisterschaft starten wollte, hat der Autobauer zur Homologation den 205 Turbo 16 aufgelegt - mit 147 kW/200 PS starkem 1,8-Liter-Motor und Schwellern und Spoilern an allen Ecken. In gut 6 Sekunden stürmt dieser Wagen auf Tempo 100 und schafft 200 Sachen. Die 200 Exemplare, die 1984 fürs Rallye-Reglement entstanden, waren quasi im Nu verkauft, sagt Biewen. Obwohl der Turbo 16 zum Preis von 94 400 D-Mark damals teuerster Peugeot aller Zeiten war.
Aus heutiger Sicht war das Geld war gut angelegt: „Heute sind die Turbos locker 80 000 Euro und mehr wert“, sagt Szene-Kenner Biewen. „Wenn man überhaupt mal einen angeboten bekommt.“ Ganz so schlimm ist es beim herkömmlichen GTI natürlich nicht: Fahrzeuge in gutem Zustand gibt es laut Biewen schon ab rund 5000 Euro. „Doch auch beim 205 GTI wird das Angebot langsam dünn“, klagt der Experte. Vor allem Exemplare im Originalzustand seinen rar, weil die Autos oft getunt und verbastelt wurden: „Ausgestellte Kotflügel, abgesenkte Hauben, dicke Auspuffrohre: Damals war das ganz heiß, heute empfindet man das als hässlich und drückt deshalb die Preise.“
Der technische Gesamtzustand der Autos sei meist sehr ordentlich, sagt Biewen. „Rost ist bis auf die Heckklappe kein großes Thema, und die Motoren waren damals sehr haltbar.“ Wenn ein 205 GTI in der Vergangenheit nicht zu stark beansprucht und regelmäßig gewartet worden sei, bleiben seinem Besitzer heute in der Regel böse Überraschungen erspart.
Während sich Fans wie Biewen liebevoll um die heißen Eisen von einst kümmern, geht das Wettrüsten ab Werk munter weiter. Genau wie vor 30 Jahren treffen Peugeot und VW auch diesmal wieder aufeinander und lancieren fast zeitgleich die jeweils jüngste Auflage ihrer Kraftmeier: den 147 kW/200 PS starken 205-Erben 208 GTI (ab 22 900 Euro) und den Golf VII GTI mit 169 kW/230 PS (ab 28 350 Euro). Der Unterschied zwischen den Modellen seit zwar „größer denn je, aber Spaß machen die sicher beide mehr als genug“, sagt Biewen. Doch wirklich interessant werden diese Autos für ihn ohnehin erst in 30 Jahren.