Eine selbstzündende Idee - Zum 100. Todestag von Rudolf Diesel
Berlin (dpa/tmn) - Laut, lahm, stinkig: Der Dieselmotor war bis in die 1980er Jahre eher ein unkultivierter Antrieb. Das typische Nageln und die Rußwolken aus dem Auspuff waren nicht jedermanns Sache.
Trotzdem machte der raue Bursche Karriere.
Als sein Erfinder vor 100 Jahren am 29. September 1913 starb, war der Dieselmotor noch weit entfernt von den heutigen High-Tech-Ölbrennern. Inzwischen hat laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) jeder zweite Pkw in Europa einen Diesel unter der Haube. Bei Lkw und Schiffen sind es nahezu 100 Prozent. Mit diesem Erfolg wird der Erfinder und Namensgeber Rudolf Christian Karl Diesel wohl nicht gerechnet haben, als er im Februar 1892 beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin eine „neue, rationelle Wärmekraftmaschine“ anmeldete, um die Dampfmaschine abzulösen.
Einen Monat später wollte Diesel seinen Motor bei der Maschinenfabrik Augsburg (heute MAN) produzieren lassen, bekam allerdings zunächst eine Abfuhr: Der dortige leitende Oberingenieur hielt den Luftverdichtungsdruck für viel zu hoch. Im Vergleich zum 1876 entwickelten Viertaktmotor kommt der Diesel ohne Zündkerze aus. In den Zylindern wird Luft so stark komprimiert, dass sich der Kraftstoff - anfangs war es Petroleum - wegen der Hitzeentwicklung selbst entzündet. Da sich die Luft in den Brennkammern stärker verdichten lässt als beim Ottomotor, ist der Wirkungsgrad höher und der Motor sparsamer.
Im Februar 1893 erhielt Rudolf Diesel das Patent mit der Nummer 67207. 1897 lief der erste Dieselmotor mit 15 kW/20 PS und einem Wirkungsgrad von rund 26 Prozent. Ein Jahr später wurden die ersten Exemplare vom Lizenznehmer Maschinenfabrik Augsburg ausgeliefert. Ab 1903 liefen die ersten Schiffe mit Dieselmotor vom Stapel. Ein Schiff wurde Rudolf Diesel schließlich auch zum Verhängnis: Er wurde zuletzt am 29. September 1913 bei einer Fahrt auf dem Postdampfer „Dresden“ gesehen. Die genauen Todesumstände blieben ungeklärt.
Seine Erfindung wurde nach seinem Tod weiterentwickelt. Der Citroën Rosalie von 1933 war das erste Auto mit einem Dieselmotor, wurde aber nicht in Serie produziert. 1936 gaben dann die deutschen Dieselmodelle Mercedes-Benz 260 D und Hanomag Rekord ihren Einstand.
Fast jeder Autobauer hat heute mindestens einen Diesel im Programm - auch die Premium- und Sportwagenhersteller. Porsche bietet etwa seit 2009 einen Selbstzünder für den Cayenne an. Den Firmenangaben nach entscheiden sich in Deutschland 80 Prozent der Kunden für diesen Motor mit bis zu 281 kW/382 PS Leistung, weltweit rund ein Drittel. Mehr als ein Drittel aller Pkw von Mercedes-Benz - inklusive S-Klasse - haben einen Diesel unter der Haube. Der größte Dieselhersteller Volkswagen bietet seit 1976 Autos Ölbrenner an, beim VW Passat Variant ordern mehr als 90 Prozent der Kunden ein Dieselmodell.
Nach Ansicht des VDA hat der Dieselmotor nicht nur eine große Vergangenheit, sondern auch Zukunft: „Er ist auf langen Strecken konkurrenzlos effizient“, sagt VDA-Sprecher Eckehart Rotter. „Diesel- und Ottomotoren werden, begleitet vom Hochlauf der Elektromobilität, auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ihren Markt haben.“
Prof. Stefan Pischinger von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) sieht den Diesel ebenfalls in den nächsten Jahren weiter gefragt: „Insbesondere bei Fahrzeugen mit höheren Leistungsanforderungen wie größeren Pkw, Nutzfahrzeugen, Baumaschinen oder Schiffen, bei denen der Kraftstoffverbrauch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit eine übergeordnete Rolle spielt, wird der Motor weiterhin dominieren.“
Der Vorteil gegenüber Ottomotoren liegt laut Pischinger im besseren Wirkungsgrad. „Der Vorteil kann bis zu 25 Prozent betragen. Darüber hinaus eignet sich der Diesel hervorragend zur Aufladung, die ihm auch zu einem attraktiven Drehmomentverlauf verhilft.“ Dagegen stehen die aufwendigere Konstruktion, das höhere Gewicht und die bei den steigenden Emissionsanforderungen komplexere Abgasnachbehandlung, was ihn in der Summe teurer macht.