Erst lüften, dann klimatisieren - Hitze im Auto bekämpfen
Bonn/München (dpa/tmn) - Steht ein Auto im Sommer in der prallen Sonne, wird es fast zur Sauna. Auf mehr als 60 Grad kann sich der Innenraum erhitzen. Parkplätze im Schatten sind gefragt. Auch Tricks wirken gegen das große Schwitzen - etwa Heißgetränke und dunkles Glas.
Am Thema Kühlung im Auto entzündet sich fast eine Glaubensfrage: Der eine sorgt sich, sich zu erkälten, sobald die Klimaanlage eingeschaltet ist. Sein Favorit für ein angenehmes Klima während der Fahrt sind geöffnete Fenster für angenehmen Durchzug. Dem anderen ist das zu laut, auch einen steifen Nacken könnte er bekommen. Er favorisiert, gegen das Schwitzen ein paar Regler zu bedienen. Was aber sagen Experten?
Dauerhaft die Klimaanlage auf Volldampf zu stellen, macht ebenso wenig Sinn, wie stundenlang mit geöffneten Fenstern zu reisen. Sven Rademacher, Sprecher des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR), rät: „Hat sich das Auto in der Sonne aufgeheizt, sollten zunächst Fenster und Türen geöffnet werden, um die größte Hitze rauszulassen.“ Auch in den ersten Fahrtminuten dürften die Fenster geöffnet bleiben, bevor man die Klimaanlage einschaltet.
Aber auch mit der Klimaanlage kann falsch umgegangen werden. Um Insassen vor Husten und Schnupfnasen zu bewahren, sollte nur anfangs die niedrigste Temperatur gewählt werden: „Und zwar nur zum Runterkühlen“, sagt Hannelore Herlan von der Deutschen Verkehrswacht (DVW). Um einen schnellen Effekt zu erzielen, könne das Gebläse kurzfristig auf Umluft gestellt werden. Danach müsse der Wahlhebel wieder auf Frischluftzufuhr gestellt werden, um den Sauerstoffgehalt in der Luft zu bewahren. Wichtig dabei: Den Luftstrom nicht auf den Kopf richten, so würden Infektionen vermieden, ergänzt Rademacher.
Als Wohlfühltemperatur im Auto empfiehlt Christian Buric vom ADAC 20 und 25 Grad Celsius. „Mehr als sechs Grad sollte der Unterschied zur Außentemperatur aber nicht betragen“, schränkt er ein. Vor allem älteren Menschen drohen sonst Kreislaufprobleme, sobald sie das Fahrzeug verlassen.
Weil demnach etwa bei einer Außentemperatur von 33 Grad Celsius 27 Grad für das Auto passend wären, bleibt mancher Schweißtropfen nicht aus. Deshalb rät Herlan dazu, auf den Flüssigkeitshaushalt des eigenen Körpers zu achten: „Eine Flasche Wasser sollte immer dabei sein, um sich vor Dehydrierung zu schützen.“ Ungeeignet seien kühle Getränke, weil diese zu noch mehr Schwitzen führten: „Wasser mit Zimmertemperatur oder warmer Tee aus der Thermoskanne sind geeignet.“
Laut Herlan geht von aufgeheizten Fahrern eine erhöhte Unfallgefahr aus. „Starkes Schwitzen führt zu Konzentrationsmangel“, sagt sie. „Man wird nervöser, das Autofahren wird zur Anstrengung, man verliert die Gelassenheit - dabei ist genau die so zentral für sicheres Autofahren.“ Spätestens wenn der Fahrer spüre, dass sich negative Auswirkungen wie diese anbahnten, sollte er eine Pause einlegen. Besser aber noch früher.
Zu den vorbeugenden Maßnahmen gegen Hitze im Auto zählt, den Wagen nach Möglichkeit im Schatten zu parken. Dabei ist es sinnvoll, den Lauf der Sonne mit einzubeziehen, so dass das Fahrzeug am besten vor der Abfahrt einige Zeit nicht im prallen Licht steht. Pro Minute kann die Innentemperatur ansonsten um ein Grad ansteigen, so Rademacher. „Weit über 60 Grad sind möglich“, warnt ADAC-Sprecher Buric.
Deshalb dürften Kinder und Haustiere auf keinen Fall auch nur für kurze Zeit im Auto gelassen werden. „Bei Kindern droht ansonsten schon innerhalb von einer Viertelstunde ein Kreislaufkollaps - das wäre fahrlässige Körperverletzung“, sagt Buric. Auch Lenkrad und Armaturen heizten sich so stark auf, dass dies zu Hautverbrennungen führen könne. „Decken Sie die Stellen deshalb am besten mit Decken oder Pappen ab.“
Schon beim Fahrzeugkauf können Autofahrer auf das Thema Hitze achten, denn die Wagenfarbe spielt dabei eine große Rolle: „Ein schwarzes Auto heizt sich in der Sonne schneller auf als ein weißes oder silbernes“, sagt Christopher Hilger vom Lackhersteller BASF Coatings. Wie stark die Hitze in den Innenraum gelange, hänge davon ab, wie viel Wärmestrahlung des Sonnenlichts absorbiert oder reflektiert werde. Dunkle Lacke absorbierten stärker, während weiße am besten abwiesen. Um die Hitzewirkung dunkler Lacke zu minimieren, entwickelt BASF derzeit einen Lack mit stark reflektierenden Pigmenten - „cool pigments“ genannt. „Dieser Lack ist aber noch nicht in der Serie“, sagt Hilger.
Den größten Hitzeeffekt hat die Verglasung eines Autos. Negativ bemerkbar macht sich hier der Trend zu immer größeren Glasflächen, etwa in Form von Panoramascheiben. 4,6 Quadratmeter Glasoberfläche seien heute üblich, 1985 waren es noch 3,5 Quadratmeter, heißt es auf der Homepage des Automobilglas-Zulieferers Saint-Gobain. Mittlerweile statten viele Hersteller ihre Autos mit Wärmeschutzverglasung aus, die die Infrarotstrahlung des Sonnenlichts reflektiert. Auch die in Mode gekommen getönten Scheiben im Fond sorgen laut Claudia Utsch vom Zulieferer Pilkington für einen Kühleffekt.