Exot mit Hang zum Ausbrechen - Der Maserati Ghibli aus den 90ern

Landau/Modena (dpa/tmn) — Ghibli - diese Modellbezeichnung hat Maserati für eine neue Limousine herausgekramt, die im Sommer in den Handel geht. Sie hat allerdings mit dem gleichnamigen 2+2-Sitzer aus den 90er Jahren nichts gemein.

Dieses seltene Coupé gibt sich bei einer Ausfahrt äußerst launig.

Neugierige Blicke vom Straßenrand und spontaner Plausch an der Tankstelle: Wo Philipp Hirsch mit seinem tundragrünen Sportwagen auftaucht, schaut er in erstaunte Gesichter: „Die meisten müssen erst einmal das Markenzeichen suchen, damit sie mein Coupé als Maserati erkennen. Und dass es ein Ghibli ist, wissen nur Experten.“ Genau dieses Exotische ist es, das der Autonarr aus Landau in der Pfalz an dem kantigen Coupé aus den 90er Jahren so schätzt. „Playboys fahren Ferrari“, zitiert der Sammler den Schauspieler Peter Ustinov, „aber Gentlemen sitzen im Maserati.“

Dass Hirschs Ghibli selbst bei Autointeressierten für fragende Blicke sorgt, hat auch mit dem Baujahr des Maserati zu tun. Denn sein Coupé stammt aus der zweiten, von 1992 bis 1997 gefertigten Generation. Zwei Dekaden liegen zwischen dem fließend-elegant gezeichneten Gran Turismo aus den Jahren 1966 bis 1973 und Hirschs zeitgenössisch-kantigem Modell. Dazwischen bekamen die Coupé-Baureihen Namen wie Khamsin, Karif, Shamal oder Biturbo. Von letzterem wurde der Ghibli II abgeleitet. Vom Biturbo stammt auch der gerade mal 2,0 Liter große V6-Motor mit wahnwitzigen 225 kW/305 PS, mit dem die Ghibli-Geschichte fortgeschrieben wurde.

Wer sich wie Hirsch in den Ghibli II verguckt hat, muss sich auf eine schwierige Beziehung einstellen: „Autos in vernünftigem Zustand werden quasi nicht gehandelt“, sagt der Sammler. Ganze drei Jahre hat er nach seinem Coupé in der Ausführung mit 2,8 Liter großem V6-Motor gesucht. Vom Ghibli II wurden insgesamt nur 2183 Einheiten produziert. Überraschend sind die niedrigen Preise, die man für das bei seiner Premiere fast 100 000 Mark teure Coupé heute bezahlen muss: Ordentliche Autos, die zwar einen gewissen Arbeitsbedarf hätten, bekomme man schon für weniger als 10 000 Euro. „Und sehr ordentliche Exemplare für 15 000 bis 20 000 Euro.“

Ghibli-Überzeugte sollten im Falle des Youngtimers wissen: Mit dem Kauf gehen die Probleme erst los. „Man muss handwerklich geschickt sein, die richtigen Leute kennen und ein sehr, sehr dickes Fell oder ein prall gefülltes Portemonnaie haben“, meint der Sammler. Die Verarbeitung sei katastrophal, selbst als Neuwagen habe der Lack des Ghibli meist ausgesehen wie nach einem schlecht reparierten Unfallschaden. Hinzu kommt, dass die Ersatzteile mittlerweile rar sind: „Es kann schon mal passieren, dass man sein Auto drei, vier Monate stehen lassen muss, nur weil man auf einen neuen Scheinwerfer wartet.“ Wer klug ist, hortet in seiner Garage alles, was er auf Clubtreffen oder im Internet findet.

Selbst das Fahren ist nicht ganz ohne, warnt Hirsch. Zwar ist es ein unglaubliches Gefühl, wenn in seinem Exemplar jenseits von 3000, 4000 Umdrehungen pro Minute endlich die beiden Turbos einsetzen und der 2,8 Liter-V6 mit seinen 209 kW/286 PS so richtig auf Touren kommt. Einen Sprintwert von 6,0 Sekunden hätte man dem etwas klobigen Keil genauso wenig zugetraut wie eine Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h. Doch trotz eines Fahrwerks, dessen Härte sich schon damals auf Knopfdruck variieren ließ, ist der Ghibli eine gefährliche Heckschleuder. Vor allem bei Nässe erfordere er Fahrkönnen: „Wer da nicht aufpasst, hat an seinem Klassiker nicht lange Spaß.“

Doch die hingebungsvolle Liebe zum italienischen Exoten wird von dem Maserati mit großen Gesten belohnt. Der Motor klingt bei flotter Fahrt gewaltig. Die beigen Ledersitze sind bequem wie ein Sofa. Und die neugierigen Blicke bei den leider häufig anfallenden Tankstopps bestätigen Hirsch jedes Mal aufs Neue in seiner Wahl.

Dass eine neue Limousine, die Maserati für dieses Jahr angekündigt hat, wieder Ghibli heißen soll, ist für den Maserati-Kenner unverständlich. Schließlich ist das Youngtimer-Original von 1996 ein Coupé und hat auch sonst mit dem neuen Modell so gut wie nichts gemein. Bis auf das Platzangebot vielleicht: „Zumindest die Zahl der Sitzplätze stimmt“, sagt Hirsch. In seinem Ghibli, nur 4,22 Meter lang und 1,30 Meter hoch, können immerhin seine Kinder im Fond bequem mitfahren - es müssen schließlich nicht immer nur Gentlemen in einem Maserati sitzen.