Expertensache: Leistungssteigerung durch Chiptuning
Roßbach/Wied (dpa/tmn) - 20 Prozent mehr Leistung, ohne am Wagen herumzuschrauben: Vor allem bei Turbomotoren lassen sich durch Chiptuning einige Extra-PS freisetzen. Der Eingriff in die elektronische Motorsteuerung birgt jedoch Risiken.
Beim Neuwagenkauf hatte der Kunde vor allem aufs Geld geschaut. Er entschied sich für die schwächste, weil günstigste Motorisierung. Ein paar Wochen später bereut er seine Wahl: Der Wagen fährt sich zäh, kommt beim Überholen nicht richtig in die Gänge. Mehr Pferdestärken und Drehmoment wären schön, ohne gleich das nächste Auto kaufen zu müssen. Hier könnte ein Eingriff in die Fahrzeugelektronik helfen. Die Rede ist vom Chiptuning.
Dabei wird die vom Fahrzeughersteller aufgespielte Software für die Motorsteuerung durch neue Steuerbefehle ersetzt oder ergänzt. „Die Dateien werden entweder im Originalsteuergerät überspielt, oder es wird ein Zusatzsteuergerät angeschlossen, dann bleibt die Originalsoftware unberührt“, erklärt Harald Schmidtke vom Verband der Automobil Tuner (VDAT). Der Effekt sei bei diesen beiden üblichen Varianten derselbe: Durch die Änderung bestimmter Parameter, etwa für den Ladedruck eines Turbos, für den Einspritzzeitpunkt des Kraftstoffs oder die Einspritzdauer, steigt die Motorleistung.
„Wir nutzen Reserven aus, die die Autohersteller lassen“, sagt Günther Irmscher, Chef der unter anderem auf Opel-Modelle spezialisierten Tuning-Firma Irmscher. Bei der Abstimmung von Großserienmodellen gehen die Fahrzeugentwickler in der Regel nicht an die Grenzen der Belastbarkeit von Material und Technik, erläutert Sven Gramm vom Mercedes-Tuner Brabus. Laut VDAT-Mann Schmidtke lassen sich deshalb vielen Benzinern und Dieseln, insbesondere den aktuell angesagten Turbomotoren, ohne Eingriff in die Mechanik um bis zu 20 Prozent mehr Leistung und Drehmoment entlocken. Schäden am Antrieb - professionelles Tuning vorausgesetzt - seien dabei nicht zu befürchten.
Chiptuning kann sogar zum Umweltschutz beitragen. Darauf weist Philip Puls vom TÜV Süd hin. „Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Anbietern für Green Tuning - das heißt: weniger Kraftstoffverbrauch bei mehr Motorleistung. Das ist durchaus zu begrüßen“, so Puls. Allerdings kennt der Auto-Experte auch die Risiken des Chiptunings.
Pfusch und Maßlosigkeit - darin liegen die größten Gefahren. Dreht ein Tuning-Dilettant zu stark an der Leistungsschraube, sind kapitale Motorschäden möglich, warnt Puls. Auch kann dadurch der Verschleiß von Teilen in Motor, Getriebe und Antriebsstrang oder der Bremsanlage extrem verstärkt werden. Durch das geänderte Abgasverhalten eines getunten Fahrzeugs drohen unter anderem Defekte am Katalysator. Vor denselben Gefahren warnt Christoph Lauterwasser, Leiter des Allianz Zentrum für Technik (AZT). Und er gibt zu bedenken, dass schlechtes Chiptuning zu einem unharmonischen Fahrverhalten mit Leistungs- und Drehmomenteinbrüchen bei bestimmten Motordrehzahlen führen kann.
Wer sich für Chiptuning interessiert, sollte sein Fahrzeug daher nie einem x-beliebigen Tuner überlassen. Experte Schmidtke rät, die Originalmotorsteuerung nur von namhaften und erfahrenen Anbietern umprogrammieren zu lassen. Wird ein Zusatzsteuergerät bevorzugt, sollten Kunden ausschließlich zu Markenware greifen - und nicht geizig sein: Für Profi-Chiptuning sind schnell um 1000 Euro oder mehr fällig. Den Einbau der Box überlässt man besser einer Fachwerkstatt.
Ganz wichtig: Zu seriösem Chiptuning gehört ein modellbezogenes Gutachten einer Prüforganisation wie TÜV, Dekra oder KÜS. Dieses Dokument bestätigt, dass sicherheitsrelevante Fahrzeugteile, etwa Fahrwerk und Bremsen, der Mehrleistung gewachsen sind. Und es erleichtert die amtliche Eintragung der Leistungssteigerung in die Fahrzeugpapiere. Die ist immer Pflicht. Sonst erlöschen Lauterbach zufolge die Zulassung und in der Regel der Versicherungsschutz.
Vertrauenswürdige Tuner sind zudem daran zu erkennen, dass sie Herstellergarantien auf den Fahrzeugantrieb übernehmen oder eigene Garantien anbieten, teils gegen Aufpreis. „Danach sollte man immer fragen“, rät Schmidtke. Denn für Schäden, die nachweislich auf Tuning zurückzuführen sind, muss der Fahrzeughersteller nicht aufkommen.