Führerscheintheorie - Abschied von Käfer und Co.
Dresden (dpa/tmn) - Grafiken mit modernen Autos ersetzen ab sofort bei der theoretischen Führerscheinprüfung die Fotos und Zeichnungen aus den 70er Jahren. Fahrlehrer sind mit den neuen PC-Bildern nicht hundertprozentig glücklich.
Schluss mit Schummeln: Wenn Fragen aus dem Katalog für die theoretische Führerscheinprüfung bislang noch auswendig gelernt werden konnten, wird das in Zukunft immer schwerer. Wechselnde Bilder und Variationen der dargestellten Verkehrsszenarien machen ein schematisches Pauken nahezu unmöglich.
Nachdem Anfang 2010 die Theorieprüfung für den Führerschein komplett von Papier auf den PC umgestellt worden war, zündete jetzt die nächste Stufe der Modernisierung: Die alten Grafiken und Fotos wurden durch computergenerierte Darstellungen ersetzt. „Den alten Käfer gibt's nun nicht mehr“, sagt Mathias Rüdel, Geschäftsführer der „arge tp 21“ in Dresden. Die Arbeitsgemeinschaft der Prüforganisationen TÜV und Dekra hat das neue System entwickelt und setzt bei den Fragen auf sogenannte Mutterbilder mit Varianten. „Darunter verstehen wir die Grundversion einer Frage, bei der etwa eine Rechts-vor-Links-Situation erkannt werden soll. Sind auf dem Mutterbild ein blaues Auto und eine gelbe Telefonzelle zu sehen, können es bei der Prüfung auch ein rotes Auto und ein Kiosk sein“, erklärt Rüdel.
Mit diesen abgewandelten „Tochterbildern“ soll das inhaltliche Verständnis für die jeweilige Verkehrssituation verbessert werden. Eine Abbildung lässt sich nun nicht mehr ohne weiteres einer bestimmten Frage aus dem amtlichen Aufgabenkatalog zuordnen. „Man muss die Situation unabhängig von der Umgebung verstehen“, sagt Rüdel. Zuvor bestimmte zwar auch schon ein Zufallsgenerator die Fragen und die Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten. Allerdings entsprachen die Abbildungen exakt denen aus dem Lehrbuch.
Kritik am neuen System gibt es von den Fahrlehrern. „Grundsätzlich sind die Neuerungen sinnvoll. Bei Gefahrenbildern, die zum Beispiel schlechten Fahrbahnbelag oder eine Blendung zeigen, stoßen die Computerbilder allerdings an ihre Grenzen“, sagt Gerhard von Bressensdorf von der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. Die Grafiken könnten auch Lichtreflexe nicht optimal wiedergeben. „Technisch ist das sicherlich eine Herausforderung, aber da erwarten wir mehr“, fordert Bressensdorf Nachbesserungen.
Am Prüfungsablauf hat sich nichts geändert. Erst wenn der Fahrschüler am Prüf-PC alle Fragebögen abgeschickt hat, ist die Prüfung beendet. „Bis dahin gibt es wie zuvor die Möglichkeit, anfangs übersprungene Fragen nachzuholen“, erklärt Rüdel.
Weitere Änderungen des Prüfungssystems gibt es Anfang 2012: Dann werden einige Grafiken schrittweise durch Videosequenzen ersetzt. Das ist nach Ansicht von Dekra-Mitarbeiter Andreas Schmidt ein wesentlicher Fortschritt: „Situationen, in denen ein zeitlicher Ablauf eine Rolle spielt, lassen sich mit statischen Bildern nur eingeschränkt darstellen. Per Video können Gefahrensituationen mit spielenden Kindern oder Fahrzeugen im Toten Winkel realistisch gezeigt werden.“ Mit den bewegten Bildern könne dem Fahrschüler auch gleich vermittelt werden, wie er richtig reagieren sollte. Fahranfänger werden mit der neuen Computerprüfung besser auf den Straßenverkehr vorbereitet, urteilt Schmidt.
Davon ist der ADAC nicht restlos überzeugt. Zwar begrüße der Club die Anpassungen für die PC-basierte Prüfung. „Ich bezweifle aber, dass die Zahl der schweren Unfälle mit Anfängern dadurch zurückgeht“, sagt der ADAC-Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino. Fast jeder vierte Unfall mit Personenschaden, bei denen ein Pkw-Fahrer der Hauptverursacher war, wurde laut der aktuellen Statistik für das Jahr 2009 von 18- bis 24-Jährigen verursacht. „Was wir in Deutschland brauchen, ist eine Nachbetreuung von Fahranfängern, wie sie etwa in Österreich seit 2003 Pflicht ist.“ Dazu gehöre auch ein Fahrsicherheitstraining.
Einig sind sich alle Experten, dass die Digitalisierung des Theorieunterrichts unterm Strich effizienter ist, weil das Bildmaterial schnell und kostengünstig aktualisiert werden kann. Um an der Qualität der Videosequenzen noch etwas zu feilen, laufen aktuell Tests in einzelnen Bundesländern.
Für die praktische Fahrprüfung gibt es laut Rüdel Überlegungen, ein elektronisches Protokoll einzusetzen. Dies könnte vom Prüfer mit einem Tablet-Computer unterwegs erstellt werden. Der Prüfungsablauf würde dadurch transparenter. Außerdem hätten Fahrschüler und -lehrer die Möglichkeit, Fehler im Nachhinein analysieren zu können.