In weiser Voraussicht - Tempomaten lernen dazu
Hannover/Köln (dpa/tmn) - Bastian Zydek ist gelassen. Sein Tempomat steht auf 100 km/h. Der Ingenieur gondelt entspannt über die Landstraße. An Bord eines Prototypen mit einem vernetzten Tempomaten, dem Connected Enhanced Cruise Control powered by eHorizon muss sich Zydek nur noch ums Lenken kümmern.
„Die Längsführung, also das Beschleunigen und Bremsen übernimmt bei diesem System komplett die Elektronik“, sagt der Entwickler des Hannoveraner Zulieferers Continental. Dabei nutzt die Elektronik nicht nur die Daten des Navigationssystems und die Bilder einer Kamera. Über eine Online-Verbindung greift sie auf eine elektronische Landkarte in einer Cloud zu, die permanent automatisch aktualisiert wird. Schon bevor sich der Testwagen einem Tempolimit nähert, bremst er auf die richtige Geschwindigkeit ab.
Später sollen Echtzeitinformationen etwa zur Verkehrsdichte, zu roten Ampeln oder zum Straßenzustand einfließen, so dass Autofahrer nasse Kurven langsamer durchfahren oder der Wagen auf Schnee nicht ins Schleudern gerät. Über 60 Jahre nach der Einführung der ersten „Cruise Control“ bei Chrysler in Amerika macht der Tempomat einen weiteren Entwicklungsschritt.
Ganz so weit wie in dem Vorserien-Szenario von Continental ist es zwar noch nicht. Doch die ersten Hersteller machen sich die Vision zunutze. Audi hat im neuen Q7 einen prädiktiven Effizienz-Assistenten eingebaut, kein Tempomat im klassischen Sinn, aber ein System, das den Fahrer vorausschauend beeinflusst. Der Assistent fordert den Fahrer auf, frühzeitig den Fuß vom Gas zu nehmen, etwa, wenn sich das Fahrzeug einem Ortseingangsschild nähert. Statt abrupt zu bremsen, rollt der Wagen aus. Dementsprechend verbraucht der Wagen weniger Sprit, teilt der Hersteller mit. Im besten Fall betrage der Verbrauchsvorteil bis zu zehn Prozent.
Ein ganz anderes Einsparpotenzial will Ford heben - und seine Kunden in den Großraumlimousinen Vans S-Max und Galaxy vor Bußgeldern bewahren. Der Kölner Hersteller beansprucht für sich den ersten Tempomaten, der vor Radarfallen schützt. Dafür koppeln die Kölner das System nach Angaben von S-Max-Projektleiter Rolf Deges an die kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung. Einmal aktiviert, pegelt sich der Tempomat auf die gültige Geschwindigkeit ein, bremst vor entsprechenden Beschränkungen herunter und beschleunigt wieder auf den voreingestellten Wert, erläutert Deges.
Auch bei BMW lernt der Tempomat dazu und erspart den Fahrern etwa im neuen 7er Knöllchen, erläutert Oliver Poguntke, der bei dem Münchner Autobauer für die Fahrerassistenzsysteme zuständig ist. Der Hersteller legt Wert auf die Eigenverantwortung seiner Kunden. Jedes Mal, wenn die Elektronik eine bevorstehende Geschwindigkeitsbegrenzung erkennt, muss der Fahrer sie kurz bestätigen, bevor die Luxuslimousine das Tempo konstant hält, erläutert Poguntke. „So bleibt der Fahrer immer der Herr des Geschehens.“
Die Eigenverantwortung zu bewahren, ist laut Hans-Georg Marmit von der Prüforganisation KÜS in Losheim am See ein vernünftiger Ansatz. So hilfreich die nächste Generation des Tempomaten auch sein mag, entlasse sie den Menschen am Lenkrad nicht aus der Verantwortung. „Falls es doch zu einem Knöllchen kommt, wird das schließlich kein Hersteller der Welt für den Fahrer übernehmen.“