Mit dem Drahtesel ins Büro: Mehr Pendler fahren Rad
Köln/Bremen (dpa/tmn) - Immer mehr Pendler nutzen das Fahrrad für den Weg zur Arbeit. Das spart Geld und kommt der Gesundheit zugute. Viele Arbeitgeber unterstützen ihre radelnden Mitarbeiter und stellen beispielsweise Umkleideräume oder Duschen zur Verfügung.
Streiks bei der Bahn, Verspätungen im Nahverkehr, überfüllte Straßen und Staus - es gibt viele gute Gründe, das Fahrrad einem anderen Verkehrsmittel vorzuziehen. Immer mehr Berufstätige sehen das offenbar ähnlich, denn die Zahl der radelnden Pendler steigt. Rund zwei Millionen Menschen in Deutschland nutzen nach Angaben des Instituts für Verkehrsforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Fahrrad täglich für den Weg zur Arbeit. Diese jüngste Erhebung stammt aus dem Jahr 2008. „Im Vergleich zur vorherigen Studie von 2002 entspricht das einem Plus von 1,4 Prozent“, erklärt die Untersuchungsleiterin Katja Köhler.
Auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) beobachtet ein wachsendes Interesse der Pendler am Fahrrad: „Berufstätige erkennen zunehmend, dass es auch finanziell sehr attraktiv sein kann, das Rad zu nutzen“, sagt Verkehrsreferent Wilhelm Hörmann. Die Anschaffungskosten hätte man angesichts der Benzinpreise schnell wieder eingespart. „Besonders bei den Entfernungen bis 7 Kilometer steigen Pendler vermehrt aufs Fahrrad“, hat Hörmann beobachtet.
Wer jeden Tag gut 10 Kilometer mit dem Auto zur Arbeit fährt, muss dafür pro Jahr allein Spritkosten in Höhe von rund 600 Euro kalkulieren. „Soviel kostet hier in Frankfurt auch eine Jahreskarte für Bus und Bahn - ich bekomme aber auch ein schönes Fahrrad dafür“, gibt Norbert Sanden, Geschäftsführer des ADFC Hessen, zu bedenken.
Sanden betreut seit 2002 das Projekt „Bike + Business“, das im Zuge des Nationalen Radverkehrsplans im Rhein-Main-Gebiet ins Leben gerufen wurde. Die Aktion zielt darauf, mehr Pendler aufs Rad zu bringen. „Wir sprechen direkt die Firmen an und wollen erreichen, dass das Thema Fahrrad im Mobilitätsmanagement berücksichtigt wird“, erläutert er. Die Angestellten sollen ihre Autos möglichst zu Hause stehen lassen. Wer weite Entfernungen zurücklegen muss, bekommt Tipps, wie sich die Nutzung von Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln am sinnvollsten kombinieren lässt.
18 Unternehmen und Stadtverwaltungen mit insgesamt rund 40 000 Beschäftigten nehmen aktuell am „Bike + Business“-Programm teil. Einer dieser Betriebe ist Ericsson Telekommunikation in Frankfurt/Main. „Bei uns machen inzwischen 50 Mitarbeiter mit“, sagt Doris Spohr von Ericsson. 2009 hat sich das Unternehmen in das Projekt eingeklinkt und seitdem zum Beispiel Fahrradständer und Umkleidekabinen für die radelnden Angestellten geschaffen. Spohr ist überzeugt, dass noch weit mehr der 500 Kollegen aufs Rad umsteigen würden - wenn es weitere Anreize gäbe.
Auch Daniela Hinkel vom Frankfurter Reiseveranstalter DER denkt über eine stärkere Förderung der Fahrradmobilität im Unternehmen nach. „Nur rund 100 der 1200 Kollegen kommen derzeit regelmäßig mit dem Rad. Wir haben aber festgestellt, dass 40 Prozent aller Mitarbeiter im Umkreis von 10 Kilometern leben“, so Hinkel. Jetzt überlegt DER, etwa durch kostenlose Fahrrad-Checks oder die Verlosung von Fahrradzubehör mehr Mitarbeiter zu motivieren. „Sicherlich wäre es auch gut, wenn das Management radelnd mit guten Beispiel vorangehen würde“, sagt Hinkel. Das Hauptargument der Fahrradfahrer sei eine Mischung aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen.
Wie gesund Radeln tatsächlich ist, hat Prof. Ingo Froböse von der Sporthochschule in Köln untersucht. Zahlreichen Alltagsbeschwerden könnten dadurch vorgebeugt werden, erklärt er: „Rückenschmerzen entstehen zum Beispiel häufig durch Bewegungsmangel. Die Bandscheiben werden dann nicht mehr optimal versorgt und können nicht mehr so funktionieren, wie sie sollen. Fahrradfahren stärkt die gesamte Rückenmuskulatur, wodurch die Wirbel stabilisiert werden.“ Mit dem Rad zur Arbeit zu fahren biete eine optimale Möglichkeit, die sitzende Tätigkeit im Büro auszugleichen.
Bereits von kurzen Strecken profitiert laut Froböse der Kreislauf: „Radfahren kann das Herz-Kreislauf-System in vielerlei Hinsicht verbessern, vor allem arbeitet es dann ökonomischer.“ Außerdem hätten Radler weniger Probleme mit Bluthochdruck.
Während in vielen Unternehmen immer stärker auf die Wünsche der Fahrradfahrer eingegangen wird, sieht der ADFC in der Infrastruktur noch erheblichen Nachholbedarf. „Grundsätzlich ist der Norden Deutschlands besser mit Radwegen ausgestattet als der Süden“, stellt Hörmann fest. Viele Radwege seien aber nicht für schnellere Fahrräder wie die immer populäreren E-Bikes ausgelegt.
In diesem Segment verzeichnete der Zweirad Industrieverband (ZIV) 2010 ein Plus von rund 33 Prozent auf 200 000 verkaufte Exemplare. Stephan Schreyer vom ZIV glaubt, dass sich künftig verstärkt Pendler für die Räder mit elektrischem Zusatzantrieb interessieren werden: „Denn wer etwas weniger schwitzen will und trotzdem schnell ins Büro möchte, für den ist das E-Bike ideal.“