Premierenzauber zwischen Sekt und Selters - Neuheiten aus Genf
Genf (dpa/tmn) - Luxusschlitten, Supersportwagen, Familienautos - selten war das Premierenprogramm auf dem Genfer Autosalon so gegensätzlich wie in diesem Jahr. Nur in einem sind sich Nobelmarken und Volumenhersteller einig: Alternative Antriebe spielen kaum eine Rolle.
Eine gewisse Zurückhaltung ist schon zu spüren im Messezentrum Palexpo. Während bei den Luxusherstellern auf dem Genfer Automobilsalon (Publikumstage: 7. bis 17. März) der Sekt fließt, reicht es im bürgerlichen Lager der Volumenhersteller oft nur für Wasser. Denn die Massenmarken werden von der in Südeuropa herrschenden Absatzkrise gebeutelt, die Stimmung ist ziemlich bescheiden.
Dass Luxus und Leistung vergleichsweise krisenresistent sind - dafür gibt es einige Belege auf der diesjährigen Messe. Beispiel Rolls-Royce: Der britische Nobelhersteller stellt dem Ghost das extravagante Luxuscoupé Wraith zur Seite. Auch Konkurrent Bentley protzt und erweitert die Continental-Reihe um die Limousine Flying Spur. Einen Superlativ markieren nach Angaben der Hersteller beide: Der Rolls-Royce ist mit 465 kW/632 PS das bislang stärkste Modell in der Firmengeschichte und der Bentley mit 322 km/h der schnellste Viertürer seit Gründung des Unternehmens.
Klassischerweise viel Geld können auch die an Höchstleistung orientierten Kunden ausgeben: Den Vogel schießt dabei Lamborghini ab und präsentiert den mit 3 570 000 Euro Listenpreis teuersten Straßenrennwagen der Welt. Veneno haben die Italiener dieses Auto der Superlative getauft, es leistet 551 kW/750 PS und soll 355 km/h schnell sein. Als Konkurrenten haben McLaren und Ferrari die Supersportler P1 und LaFerrari auf ihre Messestände gerollt, die den Lamborghini in Sachen Leistung mit je über 900 PS noch einmal übertreffen. Den Massenherstellern bleibt dagegen oft nur die Bodenhaftung - in diesem Jahr besonders. Sie hoffen, das Geschäft mit Neuheiten wieder anzukurbeln, die in vielen Fällen auf Altbewährtes zurückgreifen. Die Industrie weiß offenbar nicht so recht, wohin die Reise gehen soll und setzt auf bekannte Rezepte: Erfolgreiche Derivate werden in andere Fahrzeugklassen übernommen, so wie BMW das Fließheck des 5er GT jetzt in die 3er-Reihe überträgt. Erfolgsmodelle bekommen neue Karosserievarianten: VW zeigt den Golf als Variant, Kia den Ceed als Dreitürer ProCeed und Honda stellt dem Civic ebenfalls einen Kombi zur Seite.
Dauerbrenner wie der Citroën C4 Picasso oder der Skoda Octavia Combi gehen in die nächste Generation. „Kein Risiko - das ganz normale Verhalten in unsicheren Zeiten“, kommentiert ein VW-Sprecher diese Strategie. Und Stefan Bratzel vom Center of Automotive in Bergisch Gladbach sagt: „Die Messe in Genf fällt in eine Zeit großer Ratlosigkeit.“ Hoffnungsschimmer sind aber nach wie vor die sogenannten Geländewagen: Die SUV sind derzeit die einzige Fahrzeuggattung mit Wachstum, kaum verwunderlich also, dass die Hersteller die Erfolgsgeschichte aus der Kompaktklasse jetzt bei den Kleinwagen fortschreiben wollen. Dafür stehen in Genf der Peugeot 2008, der Renault Capture und der Ford EcoSport. Allen drei Neuheiten gemein ist ihr hoher Aufbau, ihr robustes Design - und meist auch der Verzicht auf den Allradantrieb. Es ist eben doch eher die Form, die hier zählt, und nicht die Funktion.
Trotz der Besinnung auf das Wesentliche gibt es auch für das breite Publikum ein paar Autos, die das kleine Experiment wagen: Mit Frischluft locken das serienreife Cabrio Opel Cascada und der seriennahe Opel Rocks. Ein bisschen Adrenalin will der bis zu 169 kW/230 PS starke Golf GTI freisetzen, und bei Audi gibt es neue S- und RS-Modelle von A3 und Q3. Und wenn es doch ein bisschen teurer und leidenschaftlicher sein darf, empfehlen sich die neue Chevrolet Corvette als Cabrio oder der Porsche 911 als GT3.
Die Lust an teuren Experimenten ist den Autoherstellern indes vergangen. Nicht nur die in Genf sonst so populären Designstudien sind selten geworden. Auch über alternative Antriebe spricht man kaum noch. Entweder man hat sie (fast) in Serie, oder man hat sie wieder weggepackt. Vor allem reine Elektromobile sind zur Rarität geworden, und der VW XL1 als Ein-Liter-Auto für die Kleinserie bleibt das, was Entwicklungschef Ulrich Hackenberg versprochen hat: „Ein Leuchtturm, der zeigen soll, was technisch möglich ist.“
Weil sie selbst größere Sorgen haben, überlassen die Autohersteller die schillernden Studien und die faszinierenden Konzepte in diesem Jahr vor allem den Karosseriebauern und Designstudios, die mit Fahrzeugen wie dem Rinspeed Micromax, dem Guigiaro Parcours, dem Pininfarina Sergio oder dem Bertone Jet 2+2 auf sich aufmerksam machen. „Aber die haben leicht reden“, sagt ein hochrangiger Manager eines deutschen Herstellers: „Bei diesen Firmen reicht ein Auto, das sie auf die Messe stellen. Aber von uns würde man so etwas in spätestens zwei, drei Jahren in Serie erwarten.“