Sonne tanken unterm Bügel - Targa-Dächer bei Cabrios
Stuttgart (dpa/tmn) - Der Überrollbügel galt bei Cabrios jahrzehntelang als wichtiges Sicherheitsbauteil. Mittlerweile macht er sich rar. Porsche setzt jetzt beim neuen 911 Targa wieder auf den Henkel.
Die Gründe sind aber andere.
Henkelkörbchen oder Sicherheitscabrio: Für offene Autos mit Überrollbügel gibt es viele Spitznamen. Die Wagen hatten einst zwei Vorteile: Der Bügel machte sie sicherer und die Karosserie steifer. Weil es im Autobau mittlerweile moderne Werkstoffe wie hochfeste Stähle und neue Konstruktionen gibt, setzen aber nur noch wenige Hersteller auf die Querverstrebung. Lotus oder Alfa Romeo beispielsweise - und ganz aktuell: Porsche. Den Sportwagen 911 gibt es ab Mai wieder als Targa mit Bügel.
„Bei einem Targa mit feststehendem Sicherheitsbügel kann man mit wenig Kostenaufwand das Fahrzeug bei einem Überschlag sicherer machen. Die Technik ist aber ein Anachronismus“, sagt Stefan Bigalke, Professor für Karosseriekonstruktionen an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Dafür hätten die Modelle einen sportlicheren Touch als Coupés oder Cabrios - eine Prestigefrage.
Auch Steffen Missbach, Sachverständiger beim TÜV Rheinland, sieht in der Gegenwart keine Vorteile bei der Fahrzeugsicherheit. „Bei einem modernen Cabrio mit einem aktiven Überrollschutz benötige ich aus sicherheitstechnischer Sicht keinen feststehenden Bügel mehr.“ Auch dass die Fahrzeugstruktur von Targa-Modellen zwangläufig steifer sei als bei modernen Cabrios, lasse sich nicht mehr grundsätzlich sagen.
Das war vor knapp 50 Jahren anders: Eher aus der Not geboren, entwickelte Porsche 1965 den ersten 911 Targa. Um die strengen Zulassungshürden für Cabrios auf dem US-Markt zu umgehen, wählten die Ingenieure einen Sicherheitsbügel, der die Karosserie umspannt: Anstelle der B-Säule sitzt der breite Targa-Bügel, eine C-Säule fehlt. Das herausnehmbare Dachteil wurde von innen entriegelt, ließ sich falten und vorne im Kofferraum des Hecktrieblers verstauen.
Der Bügel aus Edelstahl und ein dicker Frontscheibenrahmen sollten die Insassen im Falle eines Überschlags schützen. Gleichzeitig wurde die Karosserie steifer, was dem Fahrverhalten zugutekam. Das Resultat: „Fahrspaß wie in einem Cabriolet und die Sicherheit eines Coupés“, sagt Porsche-Entwickler Mathias Fröschle.
Porsche ließ sich den Namen schützen und setzt das Prinzip mit dem herausnehmbaren Mitteldach noch bei anderen Modellen ein. 27 Jahre lang wurde der Ur-Targa gebaut, ab 1996 verwässerten große Glasdächer die Konstruktion. Außerdem hat Porsche seit 1983 ein vollwertiges Cabrio im Programm. „Targa-Dächer sind etwas aus der Mode gekommen. Früher war die Konstruktion der einfachste Weg, das Dach eines Autos mit geringem Aufwand zu öffnen und das Verdeck platzsparend im Kofferraum unterzubringen“, sagt Prof. Frank Herrmann vom Institut für Fahrzeugtechnik der Fachhochschule Köln.
Porsche war aber nicht der erste Hersteller mit der Idee von einem herausnehmbaren Dach. 1961 stellte Triumph für den Roadster Triumph TR4 ein zweiteiliges Hardtop vor, das sogenannte Surrey Top. Anfang der 70er Jahre folgten Autos wie der Ferrari Dino 246 GTS, Opel Kadett Aero, Triumph Stag und Fiat X 1/9. Auch amerikanische und japanische Hersteller sahen die Vorzüge und setzten zwischen Windschutzscheibenrahmen und C-Säule eine Strebe: Das sogenannte T-Roof oder T-Top bei Chevrolet Camaro, Corvette C3, Nissan 100 NX oder Toyota MR-2 hat bis zu zwei abnehmbare Dachhälften.
Es sind weniger praktische oder sicherheitsrelevante Überlegungen, die Porsche für die Targa-Neuauflage angibt, sondern mehr optische. „Targa-Dächer spielen heute mit der Nostalgie“, sagt Prof. Hermann. Dem pflichtet Porsche-Entwickler Fröschle bei: „Die Idee war, den Ur-Targa wieder aufleben zu lassen. Mit breitem Aluminium-Bügel und damit mit einem ähnlichen Design wie früher.“ Unter der Alu-Druckguss-Blende steckt ein massiver Stahl-Alu-Rahmen.
Anders als das Urmodell basiert der neue 911 Targa auch nicht auf dem Coupé, sondern auf dem Cabrio. Die Bodengruppe ist bei dem offenen Zweisitzer zugunsten der Karosseriesteifigkeit massiver, wodurch der Targa 40 Kilogramm mehr als das Cabrio und 110 Kilogramm mehr als das Coupé wiegt. Vom 911 Cabrio entlehnt ist auch der Verdeckmechanismus mit hydraulischen Zylindern: Was früher einige Handgriffe erforderte, funktioniert heute auf Knopfdruck. Ein loses Dachteil gibt es nicht.
Auch wenn es hier mehr auf die Optik ankommt: Für Porsche bleibt auch der neue Targa ein „Sicherheitscabrio“. Allrad ist Standard. Die Basisversion leistet 257 kW/350 PS, der stärkere Targa 4S kommt auf 294 kW/400 PS. Neben der Grundform und dem luftigen Fahrgefühl hat das Auto mit dem Ur-Modell noch zwei Details gemein: den geschwungenen Schriftzug und die drei Kiemen am Bügel.