Sparmobil in Mini-Serie: VW will mit XL1 Ökostandards setzen

Wolfsburg (dpa) - Volkswagen ist ehrgeizig: Ein Auto, das weniger als einen Liter Sprit auf 100 Kilometern verbraucht, ist eine klare Ansage an Konkurrenz und Kunden. Das Ökomobil XL1 soll die Technikkompetenz des Konzerns zeigen - und Umweltkritiker versöhnlich stimmen.

Hightech kann sehr unscheinbar sein. Am Karosseriemodell des neuen VW XL1 hängt ein weiches, schwarzes Tuch. Es sieht aus wie ein Staublappen fürs Wohnzimmer - ist aber deutlich teurer. „Das ist das Kohlefasertuch“, erklärt Experte Krino Bornemann. Mit einem speziellen Verfahren haben die niedersächsischen Autobauer die Passagierkabine ihres neuen Aushängeschildes aus Carbonfasern hergestellt. Aus dem flexiblen Material wurde eine hochfeste und superleichte Karosserie. Das spart Gewicht - und zusammen mit der windschlüpfigen Karosserie Sprit. Der XL1 soll laut Prüfzyklus nur 0,9 Liter Diesel auf 100 Kilometern verbrauchen.

Das Ökomobil ist eine klare Ansage - an die Hybrid-Konkurrenz anderer Hersteller ebenso wie an Aktivisten, die VW immer wieder eine zu laxe Umweltstrategie vorwerfen. Insgesamt bringt der komplette Wagen knapp 800 Kilogramm auf die Waage. Andere Komponenten wie Scheiben, Achsen oder Felgen seien ebenfalls auf Gewichtsersparnis hin entwickelt worden, so Projektleiter Holger Bock. Ein Standardauto der Golf-Klasse wiege gut das Doppelte. Platz ist im XL1 jedoch nur für zwei Personen, die etwas versetzt voneinander sitzen.

Auch beim Antrieb eröffne der Wagen dem Konzern neue Wege, sagt Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg. Es ist nämlich der erste VW mit Plug-In-Technik. Das sind Hybrid-Autos, deren Akkus sich auch per Steckdose aufladen lassen. Erzrivale Toyota bietet die Technologie allerdings längst auf dem deutschen Markt an. Im Prinzip soll das im XL1 verwendete Know-how für andere Modelle des VW-Konzerns genutzt werden - in diesem Jahr etwa für den neuen Audi A3 e-tron, mit einem doppelt so großen Motor. Auch in den Kleinwagen Up könne die Technik Einzug halten, kündigt Hackenberg an: „Das wird fortentwickelt.“

Klar ist: Der flache Flitzer hat für die Ökostrategie von Europas größtem Autobauer enorme Bedeutung. Der Zweisitzer gilt als eines der Lieblingsprojekte des früheren Vorstandsvorsitzenden und heutigen Chefaufsehers Ferdinand Piëch. Volkswagen will die Führungsrolle im Bau leichter Hybridmodelle. Denn vor allem Toyota macht sich im Segment der Mischantriebe aus Elektro- und Verbrennungsmotor breit.

Und das Auto soll auch Umweltschützer milder stimmen. Oft legt sich Greenpeace mit dem Autoriesen an, fordert weniger Spritverbrauch und mehr Anstrengungen bei der CO2-Reduktion. „Der Volkswagen-Konzern wird das 95-Gramm-Ziel bis 2020 schaffen“, beteuerte Vorstandschef Martin Winterkorn jüngst mit Blick auf die Emissionsvorgaben der EU pro gefahrenem Kilometer. Die VW-Neuwagenpalette schnitt nach Daten des Kraftfahrtbundesamts 2012 mit einem um 1,8 Prozent gesunkenen CO2-Ausstoß besser ab. Andere liegen aber vorn. Niedersachsens neuer Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) trommelte schon vor seiner Amtseinführung, VW müsse die ökologischsten Fahrzeuge der Welt bauen.

Zwar kann sich der XL1 tatsächlich sehen lassen, denn er stößt nur 21 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer aus. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er - noch - ein Nischenfahrzeug ist. 50 Exemplare werden derzeit in Osnabrück gebaut, die an spezielle Kunden verleast werden. Ob es mehr werden, und zu welchem Preis sie vermarktet werden, will der Vorstand erst beim Genfer Autosalon im März verraten. Der Wagen ist also eher Technik-Leuchtturm und wird allenfalls in Kleinserie angeboten.

Vor einem Jahrzehnt wollte VW beim Drei-Liter-Lupo bereits den Massenerfolg - und scheiterte. Das besonders effiziente Modell war den Kunden damals schlichtweg zu teuer. Die Hoffnung der Manager: Inzwischen dürfte das Umweltbewusstsein höher sein. Der XL1 war 2011 ausgerechnet auf einer Motormesse im Golf-Emirat Katar als Konzeptmodell präsentiert worden. Der Premiere im Land der Ölscheichs soll nun ein Anlauf nach Maß im preissensiblen Krisenmarkt Europa folgen. Das freilich dürfte alles andere als einfach werden.

Aus Sicht des Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid betreibt VW mit dem XL1 eher Symbolpolitik als echten Klimaschutz: „Es bringt ja nichts, wenn eine Kleinserie von 50 Autos pro Jahr einkalkuliert ist. Diese Menge geht beim Golf in einer Stunde vom Band.“ Anstatt „Feigenblätter“ vor sich her zu tragen, müsse VW eindeutig und ohne Schlupflöcher das 95-Gramm-Ziel der EU akzeptieren. „Sie müssen im Massensegment zeigen, was sie wirklich können.“