Autotest Alfa Romeo Stelvio: Giulia für Gipfelstürmer
Berlin (dpa-infocom) — Jahrelang hätte man keine Lira auf Alfa Romeo wetten wollen. Doch seit die elegante Giulia die Mittelklasse aufmischt, ist die Fiat-Tochter wieder in aller Munde - und das war nur der Anfang.
Die Italiener legen nach und starten mit dem Stelvio ins Boomsegment der noblen Geländewagen von familientauglichem Format. Als Giulia fürs Grobe geht er seit Mitte März gegen Autos wie Audi Q5, BMW X3 und Mercedes GLC ins Rennen.
Der Beau auf der Buckelpiste
Für Preise ab 47 500 Euro gibt es dann einen 4,69 Meter langen Allradler, der wie alle Alfas ein absoluter Blickfang ist: Im Gesicht das typische Schnauzbärtchen und Scheinwerfer wie entschlossen dreinblickende Augen, die Flanken tailliert, die Hüften muskulös und das Heck knackig - so beweist der Alfa, dass man den Passanten auch ganz ohne Effekthascherei den Kopf verdrehen kann und so ein Vorstadtpanzer weder plump noch protzig sein muss.
Wie in jedem SUV sitzt man auch im Stelvio etwas höher, kann bequemer einsteigen und besser hinausschauen. Obwohl er die Giulia um 19 Zentimeter überragt, verliert man in dem Auto nicht die Bodenhaftung. Nicht im wörtlichen Sinne, weil zumindest zum Start der Allradantrieb zum Standard gehört. Und nicht im übertragenen, weil man vom Auto so vereinnahmt wird, dass man stets das Gefühl für die Straße behält. Wo man sich in anderen Geländewagen bisweilen auch am Lenkrad wie ein Passagier fühlt, behält man sich im Stelvio das Steuer fest in der Hand.
Der passt auf jede Passstraße
Dazu passen die betont dynamische Auslegung von Antrieb und Fahrwerk: Die Lenkung direkter als bei den unmittelbaren Konkurrenten und die Kraftverteilung so, dass der Alfa wann immer möglich als Hecktriebler unterwegs ist, dazu ein Motor, der nach Drehzahl giert und eine Automatik, die ihre acht Gänge schnell und präzise wechselt.
Spätestens, wenn man am so genannten DNA-Schalter das dynamischste Fahrprofil wählt, wird der Stelvio zum Sportler auf Stelzen und erinnert zurecht an die Passstraße, die beim Namen Pate stand. Allerdings macht er das ohne übertriebene Härte und bleibt dabei gerade so zahm, dass der Fahrspaß nicht zulasten der Mitfahrer geht.
Motoren zwischen Vernunft und Vergnügen
Die Musik zu diesem Kurventanz spielen zunächst zwei Motoren: Ein vernünftiger Diesel mit 2,2 Litern Hubraum und 154 kW/210 PS, der bis zu 215 km/h erreicht und im besten Fall mit 4,8 Litern (CO2-Ausstoß: 127 g/km) zufrieden ist, oder ein vergnüglicher Benziner, der aus 2,0 Litern Hubraum 206 kW/280 PS schöpft. Der Motor hängt gut am Gas, dreht schnell hoch und passt mit seinen maximal 400 Newtonmeter gut zu dem Gipfelstürmer. Denn unter deutlich vernehmbarem Grollen beschleunigt er den 1,7-Tonner in 5,7 Sekunden vom 0 auf 100 km/h und erreicht bis zu 230 km/h.
Allerdings bezahlt man den größeren Elan auch mit einem höheren Verbrauch und muss schon auf dem Prüfstand mit 7,0 Litern (161 g/km) rechnen. Noch im Lauf des Jahres folgen abgespeckte Versionen des Benziners mit 147 kW/200 PS und des Diesels mit 132 kW/180 PS und der Option auf Heckantrieb sowie später auch der Stelvio Quadrifoglio mit einem aufgeladenen V6-Motor und 375 kW/510 PS.
Verführer mit praktischen Tugenden
Zwar bemüht Alfa Romeo bei Stelvio die Kunst der Verführung. Doch kann das SUV auch mit ganz vernünftigen Argumenten überzeugen - schließlich ersetzt es nicht zuletzt den Giulia Kombi, den die Italiener wieder aus der Produktplanung gestrichen haben. Deshalb verweisen die Italiener stolz auf einen gut zugänglichen Kofferraum von 525 Litern. Und erfreut stellt man bei Positionswechseln fest, dass auch Erwachsene hinten wegen des höheren Dachs und des geänderten Türausschnitts deutlich besser sitzen als in der Giulia.
Er sieht gut aus und fährt gut, ist praktisch und zumindest mit dem Diesel sogar vernünftig. Doch im Detail erlauben sich die Italiener dann doch ein paar Patzer: Der Bildschirm für das eher mäßige Infotainment ist nicht nur zu klein, er reagiert auch nicht auf die Fingerspitzen des Fahrers. Und die Liste für Assistenz und Ausstattung ist bei Alfa kürzer als bei Audi und Co: LED-Scheinwerfer, automatisiertes Stau-Folge-Fahren oder eine Gestensteuerung für die elektrische Heckklappe - damit können die Italiener nicht dienen
Fazit: Es geht wieder aufwärts mit Alfa
Natürlich ist ein vornehmes Familien-SUV keine sonderlich innovative Erweiterung der Modellpalette und die Wettbewerber könnten mit Audi Q5, BMW X3 oder Mercedes GLC kaum stärker sein. Doch der Stelvio schlägt sich in diesem Umfeld wacker und bringt ein bisschen italienisches Flair ins deutsche Einerlei. Schon dafür muss man ihm dankbar sein und neidlos anerkennen, dass es mit Alfa offenbar endlich wieder aufwärts geht. Wurde ja auch langsam Zeit.
Datenblatt: Alfa Romeo Stelvio 2.0 Turbo
Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke