Aston Martin Cygnet: Kein Kleiner ist feiner
Berlin (dpa-infocom) - Man kennt es vom Juwelier: Je kleiner die Pretiosen, desto höher ist ihr Preis. Bei Autos war das bislang anders. Doch jetzt bringt die Sport- und Luxuswagenmarke Aston Martin mit dem Cygnet das Preisgefüge bei den Stadtflitzern durcheinander.
Für den Cygnet wird man 37 995 Euro hinlegen müssen. Damit kostet der Zweitürer mehr als manche Mittelklasse-Limousine - und dann sind noch gar nicht alle Optionen an Bord. Dabei ist er technisch gar kein sonderlich innovatives oder ambitioniertes Fahrzeug. Denn als Basis dient dem 3,08 Meter kurzen 3+1-Sitzer mit dem 72 kW/98 PS starken 1,3-Motor der Toyota iQ. Aber was die Briten daraus in 150 Stunden Handarbeit machen, kann sich trotzdem sehen lassen: Ausgeschlagen mit dem Leder von bis zu sechs Kühen, getüncht in Klavierlack und gepflastert mit Karbon oder Aluminium wird aus dem japanischen Plastikbomber ein schillernder Luxus-Zwerg: Kein Kleiner ist feiner.
Karbon, Klavierlack und Kunststoff
Die Veredelung beginnt bereits beim Zündschlüssel: Wo der beim originalen iQ so billig wirkt wie ein Einweg-Feuerzeug, hat ihn Aston Martin in eine schwere Metallhülle gepackt, als käme er direkt von Cartier. Das Lenkrad ist dick gepolstert, die Sitzbezüge sind kunstfertig vernäht und die Teppiche würden jede Nobelboutique zieren. Selbst die Instrumente haben die Briten veredelt. Doch so ganz zu Ende gedacht haben sie die Maskerade nicht: Vor allem die Oberseite des Armaturenbretts, die Kunststoffe direkt um das Cockpit und der Fußraum vor dem Beifahrer wirken lange nicht so edel, wie man es für so eine PS-Pretiose erwarten würde. Das kann auch die Ledertasche, die das Handschuhfach ersetzt, nicht kaschieren.
Außen waren die Umrüster viel gründlicher: Bis auf das Dach und die Heckklappe bleibt kaum ein Karosserieteil unverändert. Der Kühlergrill ist jetzt genauso aggressiv wie beim DB9, auf der Haube prangen stolz zwei große Lufteinlässe, und natürlich haben sie auch dem kleinsten Aston Martin die typischen Kiemen in die Kotflügel geschnitten. Dazu gibt es große, auffällige Räder, dicke Schweller vorn und hinten und eine Farbauswahl so schillernd wie im Regenbogen.
Schnöde Technik aus der Großserie
Die Technik des Toyota hat Aston Martin dagegen gar nicht erst nicht angefasst. Schließlich ist der „kleine Schwan“, so die offizielle Übersetzung des Namens, nur so etwas wie das Beiboot zur Luxusyacht und einzig für die kleinen Besorgungsfahrten in der Stadt gedacht. Für die Fahrspaß, so die Kalkulation der Briten, haben die meisten Kunden noch einen Virage, einen Vantage oder einen Rapide in der Garage stehen.
Deshalb bleibt es zum Beispiel bei den mageren 1,3 Litern Hubraum und den 72 kw/98 PS, die den echten Sportwagen gerade einmal für den Anlasser reichen dürften. Kein Wunder also, dass der Cygnet 11,8 Sekunden bis Tempo 100 braucht und der Fahrer des sieben mal stärkeren Topmodells One-77 dem Winzling beim Sprintduell noch einen Espresso Vorsprung lassen kann. Sein Wagen braucht für den Spurt nur 3,5 Sekunden. Auch beim Spitzentempo müssen sich die Schnellfahrer ein wenig umstellen: Sind sie bislang Geschwindigkeiten über 300 km/h gewöhnt, ist im Cygnet bei 170 km/h Schluss.
Ideal in der Stadt
Aber dafür gab und gibt es keinen anderen Aston Martin, in den man zumindest in die erste Reihe so bequem einsteigen kann. Nie hatte man so eine gute Rundumsicht. Und vor allem war kein Aston Martin vor ihm so handlich wie der Cygnet. Klar: Auf dem kurvigen Kurs der Nürburgring-Nordschleife zählen andere Qualitäten. Doch in der Rushhour und bei der Parkplatzsuche ist der Bonsai-Brite: Handlich, kurz und ungeheuer wendig, lässt er zumindest im City-Slalom jeden Sportwagen stehen. Außerdem bietet er Fahrer und Beifahrer ordentlich Platz. Hinten geht es dagegen relativ eng zu, und der Kofferraum reicht eher für Armani als Aldi.
Die größte Überraschung werden Aston Martin-Kunden aber beim Tanken erleben: Wo die britischen Boliden sonst im Alltag nie unter zehn und selten unter 20 Litern zu fahren sind, steht der Cygnet mit 5,1 Litern in der Liste. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 116 g/km und macht ihn zum sparsamsten Auto in der Firmengeschichte. Und ganz nebenbei ist er auch noch das erste Modell mit Start-Stopp-Automatik.
Fazit: Mehr Accessoire als Auto
Ein Kleinwagen für fast 40 000 Euro? Mit rationalen Motiven kann man kaum erklären, weshalb sich jemand für ein Auto wie den Cygnet entscheiden sollte. Zumal es das technisch identische Fahrzeug auch für ein Drittel des Preises gibt. Nur klebt dann eben ein Toyota-Logo auf der Haube. Und wo man bei Cygnet über feines Leder streicht, sieht man beim iQ nur preiswertes Plastik. So wird das Auto zum Accessoire. Und genau wie bei einer Luxus-Uhr, einem Designer-Kleid oder einer Marken-Handtasche gerät der Preis dabei zur Nebensache.