Fahrbericht Lexus LS500h im Test: „Omotenashi“ in der Oberklasse

Berlin (dpa-infocom) - Eines muss man den Japanern lassen: Sie haben einen langen Atem. Seit bald 30 Jahren rennt Toyota mit seiner Luxusmarke Lexus und deren Flaggschiff LS gegen Mercedes, Audi und BMW an - und ist dabei gegen S-Klasse, A8 und 7er über einen Achtungserfolg nicht hinausgekommen.

Die Japaner bringen die fünfte Generation des LS an den Start - und haben sich dabei mehr Mühe gegeben als je zuvor. Wer sich ab Mitte Januar für 93 300 Euro aufwärts die asiatische Alternative zu den deutschen Anzug-Autos bestellt, der wird zwar weiterhin einen Exoten fahren. Aber er fährt ein Auto, das mit mehr Verstand und Herzblut entwickelt wurde als die meisten anderen Modelle am Markt. Und eines, in dem er liebevoller umsorgt wird als bei Mercedes und Co.

Gastfreundschaft für Fremde

Das Schlüsselwort dafür heißt „Omotenashi“ und steht für die japanische Gastfreundschaft, die einem Fremden jeden Wunsch erfüllen möchte, bevor er überhaupt ausgesprochen ist. Im neuen Lexus LS beginnt das lang vor dem Losfahren.

Sobald man den Wagen entriegelt, hebt er sich um vier Zentimeter an, damit man sich beim Einstiegen nicht so anstrengen muss. Während das indirekte Licht in den Türtafeln in der Wärme japanischer Papierlaternen strahlt, öffnen sich die Seitenwangen der 28fach verstellbaren Sitze, und selbst das Gurtschloss reckt sich den Insassen um fünf Zentimeter entgegen, um das Anschnallen zu erleichtern.

Takumi für alle Sinne

Diese Willkommenskultur ist nicht die einzige japanische Eigenheit. Auch beim Ambiente hält sich der Lexus an die Tradition und setzt auf „Takumi“ - besonders kunstfertiges Handwerk, das der Limousine einen ganz eigenen Charakter gibt.

Der auf 5,24 Meter gestreckte und deshalb entsprechend geräumige Luxusliner sieht von außen mit seinem wie aus einem Manga-Comic übernommenen Kühlergrill und einer fast schon sportlichen Coupé-Silhouette frisch und modern aus. Dagegen wirkt er innen mit den von Hand im Origami-Stil gefalteten Stoffen auf den Türtafeln, Kristallglas in den Konsolen und aufwendig verarbeiteten Hölzern sehr traditionell.

Verstaubtes Cockpit

Das ist Geschmackssache und wird deshalb nur optional angeboten. Doch selbst im konventionellen Business-Trimm wirkt die Limousine innen weniger frisch als außen. Denn so üppig die Komfortausstattung auch sein mag, so bequem man auf den First-Class-Sesseln mit Ottomane und Shaihazu-Massage im Fond liegt und so feinfühlig die Klimaanlage sich auf jeden Fahrgast individuell einstellt, so altbacken wirkt der Platz rund um das Lenkrad: Die Bildschirme zu klein und ohne Touchfunktion, das Trackpad auf der Mittelkonsole antiquiert und die Schalter bei aller Finesse irgendwie angestaubt - die Generation Smartphone kann man damit nicht ködern. Und für Traditionalisten ist die Limousine trotzdem zu modern.

Dabei ist der Lexus sonst auf der Höhe der Zeit - oder sogar voraus. Schließlich bietet er ein ganzes Heer von Assistenzsystemen und kommt dem autonomen Fahren dabei so nahe wie Mercedes und Co. Und in Sachen Sicherheit geht er sogar noch weiter: Statt für Fußgänger nur zu bremsen, weicht er ihnen sogar aus.

359 PS und trotzdem kein Spaß

Das aus der Zeit gefallene Cockpit ist nicht der einzige Grund, weshalb man im Lexus LS hinten rechts besser aufgehoben ist als vorne links. Das liegt vor allem am Motor. Denn auch da bleiben sich die Japaner treu und setzen auf einen klassischen Hybrid-Antrieb. Der mag vielleicht im Alltag besonders sparsam sein. Aber als Kombination aus einem V6-Benziner, zwei E-Motoren und einem relativ kleinen Akku bietet er nicht die elektrische Performance der Konkurrenten mit Plug-In-Hybrid und kann nur wenige hundert Meter ohne Sprit fahren. Und mit 264 kW/359 PS hat er auch lange nicht so viel Dampf wie die V8-Modelle, die bei Audi, BMW und Mercedes auch weiterhin den Ton angeben.

Natürlich fährt der LS500h nicht schlecht. Immerhin wuchtet der Tandem-Antrieb die Luxuslimousine in 5,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h, schafft die standesgemäßen 250 Sachen und braucht im Mittel bestenfalls nur 6,2 Liter (CO2-Ausstoß: 148 g/km). Die Option auf Allradantrieb sowie die serienmäßige Hinterachslenkung garantieren auch in Kurven eine gewisse Dynamik. Doch wer Fahrspaß sucht, wird bei der Konkurrenz schneller fündig.

Fazit: Sonderling im Smoking

Auch in der fünften Auflage mag der Lexus zumindest in Europa ein Außenseiter bleiben. Aber mehr denn je beweist er dabei Charakter und eine eigene Note. Wer sich für den Sonderling im Smoking entscheidet, bekommt deshalb keine Kopie von S-Klasse und Co., sondern ein Original.

Datenblatt: Lexus LS 500h AWD

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke