Autotest Volvo XC 60: Nordisch by Nature
Berlin (dpa-infocom) - Götterdämmerung im Wikinger-Himmel: Volvo erneuert sein mit Abstand wichtigstes Modell und bringt am 22. Juli die zweite Generation des XC60 in den Handel.
Der Geländewagen versteht sich als ebenso noble wie nordische Alternative zu den Premium-Modellen aus dem deutschen Süden. Der XC60 kontert deren wuchtigen Auftritt mit einer filigranen Eleganz, einem betont entspannten Auftritt und einem luftig leichten Interieur. Nur in einem Punkt tun es die Schweden Audi, BMW und Mercedes gleich: Mit einem Grundpreis von zunächst 48 050 Euro ist auch der Volvo kein Schnäppchen.
XC60 ist ein geschrumpfter XC90
Für die Neuauflage des Bestsellers hat sich Volvo sehr stark am großen Bruder XC90 orientiert. Das gilt für das nur unwesentlich schnittigere Design genauso wie für das Ambiente und erst recht für die Technik. Nicht umsonst teilen sich beide Autos die gleiche Plattform.
Deshalb hat auch der 4,69 Meter lange XC60 ein ausgesprochen leichtes Ambiente, das vor allem von seinen aufgeräumten Konsolen lebt: Weil sich die Bedienung weitgehend auf den großen, wie bei Tesla senkrecht montierten Touchscreen beschränkt, gibt es kaum mehr Schalter und Regler und das Cockpit kann sich entsprechend weit zurücknehmen. Weil es dazu auch noch betont dünne und trotzdem ungeheuer bequeme Sitze gibt, wirkt der XC60 ungewöhnlich luftig und geräumiger als die meisten Konkurrenten. Dabei sind Radstand (2,87 Meter), Kniefreiheit und Kofferraumvolumen (505 - 1432 Liter) allenfalls gehobener Durchschnitt.
Der Softie unter den SUV
Zwar ist der XC60 ein bisschen dynamischer ausgelegt als sein großer Bruder, man sitzt etwas engagierter hinter dem Lenkrad und 25 Zentimeter kürzer ist er auch. Doch im Grunde sind sich bei beiden so ähnlich, dass jemand die dritte Sitzreihe oder den größeren Kofferraum schon verdammt dringend benötigen muss, damit man dafür 6000 Euro mehr ausgibt.
Die Unterschiede zur Konkurrenz sind dafür umso größer. Denn Volvo verweigert sich kategorisch dem üblichen Wettrüsten und möchte beim besten Willen kein sportliches SUV bauen. Deshalb ist der XC60 auch im dynamischsten Modus für Getriebe und Luftfederung noch immer entspannt unterwegs. Das ist auf der Autobahn sehr angenehm, kann auf einer kurvigen Landstraße aber schnell anstrengend werden. Aus dem gleichen Grund gibt es den XC60 ausschließlich mit vier, statt mit sechs oder gar acht Zylindern.
Keine Sechs- oder Achtzylinder
Am Anfang sind das je zwei Diesel und Benziner, die allesamt mit Allradantrieb und Achtgang-Automatik gekoppelt sind. Die Selbstzünder haben 140 kW/190 PS oder 173 kW/235 PS und die Otto-Motoren 187 kW/254 PS oder 235 kW/320 PS.
Außerdem kommt kurz nach dem Start ein Plug-In-Hybrid mit einer Systemleistung von 299 kW/407 PS, 45 Kilometer rein elektrischer Reichweite und einem Normverbrauch von 2,1 Litern (CO2: 49 g/km) zurück. Später sollen noch ein paar schwächere Motoren und reine Fronttriebler kommen und den Preis etwas näher an die 40 000er-Marke bringen.
Stark, aber nicht souverän
Egal ob Benziner oder Diesel - zumindest die jeweils stärkeren Motoren haben allemal genügend Kraft, um den dicken Brocken entspannt zu bewegen. Doch fehlt es ihnen zum V6 trotz ihrer 400 Newtonmeter beim T6 und 480 Newtonmeter beim D5 an der in dieser Klasse nötigen Souveränität, mit 230 und 220 km/h lassen sie sich schnell abhängen und bei entsprechendem Engagement spielen sie sich gerne ein bisschen in den Vordergrund.
Außerdem wird dann der Normverbrauch von 7,7 Litern für den Benziner und 5,5 Litern für den Diesel (CO2-Ausstoß 176 und 144 g/km) gar vollends zur Makulatur.
Keine Kompromisse bei der Sicherheit
Während die Schweden die Konkurrenz auf der Überholspur bereitwillig ziehen lassen, wollen sie bei einem anderen Thema die erste Geige spielen: der Sicherheit. Den XC60 kann man deshalb mit einer ganzen Schwadron von Schutzengeln aufrüsten, kann damit nahezu autonom fahren und im Ernstfall auf profunde Unterstützung hoffen.
So hat Volvo für die XC60-Baureihe drei neue Assistenzsysteme entwickelt, die dem Fahrer aktiv in die Lenkung greifen, wenn ein Frontalzusammenstoß mit dem Gegenverkehr, ein Auffahrunfall oder das Abkommen von der Fahrbahn drohen.
Fazit: Exot mit besten Chancen auf Erfolg
Ausgerechnet im rauen Norden bauen sie ein ausgesprochen sanftmütiges SUV. Mit seinem eher soften Design, dem luftig-leichten Innenraum und vor allem seiner defensiven Grundstimmung bei Antrieb und Fahrwerk ist der neue Volvo XC60 ein absoluter Exot auf der Buckelpiste. Weil er allerdings bei Ausstattung, Preis und Platz um so mehr ins Zentrum seines Segments zieht, hat der Exot einmal mehr die besten Chancen auf Erfolg.
Datenblatt: Volvo XC60 T6
Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke