Träger Start: Warum E-Autos noch nicht ins Rollen kommen
Frankfurt/Main (dpa) - Deutschland ist in Sachen Elektroautos noch ein Entwicklungsland. Die Kunden halten sich zurück, es gibt noch viele Probleme. Das Rennen um den alternativen Antrieb der Zukunft ist noch nicht entschieden.
Elektrisierend. Eine neue Welt. Die Zeit ist reif. So oder ähnlich sieht die Elektromobilität in den Hochglanzbroschüren der Hersteller aus. Doch die Realität ist eine andere: Zu teuer, begrenzte Reichweite, zu wenig Ladesäulen. Der frühe Hype ums E-Auto ist längst einem nüchternen Pragmatismus gewichen. „Im Moment ist Elektromobilität etwas für Zweit- und Drittwagenbesitzer, die Geld haben und eine Garage mit Stromanschluss“, sagt Autoexperte Stefan Bratzel. Zwar werde das Thema nicht mehr von der Agenda verschwinden. „Nur startet die Elektromobilität eher wie ein Schiff als wie ein Starfighter.“
Einen Schwung bringen soll nun die IAA (Publikumstage: 14. bis 22. September). In Frankfurt dürften die neuen Elektroautos von BMW und VW zu den Stars gehören. Der BMW i3 ist ein Wagen mit völlig neuer Technologie, BMW-Chef Norbert Reithofer sprach vom „Beginn einer neuen Ära“. Marktführer VW kommt mit dem e-Up und dem e-Golf. Bis Ende 2014 sollen insgesamt 16 neue Elektro-Modelle aus deutscher Produktion bei den Händlern stehen.
Die große Frage lautet: Kaufen die Kunden E-Autos? Bisher sind die Zahlen ernüchternd: Ganze 2904 Elektroautos wurden in Deutschland laut KBA seit Januar zugelassen, der Anteil lag bei 0,165 Prozent.
Als Problem gilt vor allem die Angst der Kunden vor der begrenzten Reichweite, die bei E-Autos bisher 150 bis 200 Kilometer beträgt. Obwohl die meisten Fahrer im Alltag täglich weniger zurücklegen - ist eine derart begrenzte Reichweite im Land der Autobahnen vermittelbar?
Dazu kommt der hohe Preis der E-Autos, dies liegt vor allem an der teuren Batterie. Der i3 kostet in der Einstiegsvariante knapp 35 000 Euro. Der E-Up von VW soll für rund 27 000 Euro zu haben sein - das Basismodell des Kleinwagens kostet 9975 Euro. Für die Masse der Autokäufer sind das stolze Preise.
Selbst Top-Manager sind daher skeptisch: „Wir werden warten, bis wir diese Technologie zu erträglichen Preisen anbieten können“, sagte Skoda-Chef Winfried Vahland jüngst der „Automobilwoche“.
Auch eine Infrastruktur existiert bisher nur im Ansatz. Der Ausbau von öffentlichen Ladesäulen stocke, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Und staatliche Subventionen in Form von Steuergeschenken wie in anderen Ländern gibt es in Deutschland nicht. China zum Beispiel macht auch angesichts der Umweltsorgen bis zu 60 000 Yuan (rund 7300 Euro) Zuschuss für den Kauf eines Elektroautos locker. Damit sollen bis 2020 fünf Millionen Elektrofahrzeuge auf Chinas Straßen fahren - in Deutschland sollen es eine Million sein.
„Das Elektroauto ist in keinem Markt der Welt Quotenseller“, betont Dudenhöffer. Aber die Befürworter der E-Mobilität haben einen Star: Den US-Hersteller Tesla mit Gründer Elon Musk. Dem Erfolg des Oberklassewagens Model S hat es die kalifornische Firma zu verdanken, dass sie die Gewinnzone erreicht hat. Jetzt schon kann man die West- und Ostküste der USA entlangfahren.
Die neue Tesla-Euphorie hat den Börsenwert der Firma über 20 Milliarden Dollar getrieben. Zum Vergleich: Der Branchenriese General Motors ist gut 50 Milliarden Dollar wert. Dabei verkaufte Tesla im vergangenen Quartal 5150 Wagen von seinem Model S - für GM mit dem Absatz von 2,492 Millionen Autos so etwas wie ein Rundungsfehler.
Doch für Börsianer zählt die Zukunft - und der Autobranche bleibt keine andere Wahl, als Milliarden in alternative Antriebe zu stecken. Denn sie steht industriepolitisch unter Druck. Grund sind strengere Grenzwerte in der EU für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2).
Wie streng sie ausfallen, ist jedoch umstritten. Es gab einen Kompromiss, den aber Deutschland blockierte. Die deutsche Industrie wollte mehr Extra-Anreize für Elektroautos und andere schadstoffarme Wagen, um die CO2-Ziele zu erreichen. Das Schlüsselwort: „Supercredits“ - Boni für schadstoffarme Fahrzeuge in der CO2-Bilanz.
Vehement verteidigen die Deutschen ihr Geschäftsmodell in der EU gegen Franzosen und Italiener, die vor allem Kleinwagen bauen. Und das lautet besonders bei BMW, Mercedes und Audi: Oberklassewagen. Die Deutschen sind mit Abstand Weltmarktführer im Oberklasse-Segment und verdienen gutes Geld. Umso mehr CO2 aber müssen sie bei den schweren Wagen einsparen, die mehr Sprit schlucken.
Wie der CO2-Streit ausgeht, ist offen. Sicher scheint aber: Um die Grenzwerte zu schaffen, brauchen die Hersteller mehr Modelle mit alternativen Antrieben. Dabei ist nicht ausgemacht, welcher Antrieb sich am Ende durchsetzt: ob der reine Elektromotor oder Kombinationen mit Verbrennungsmotoren, wie Plug-in-Hybrid oder Range Extender. Und auch die Brennstoffzelle, bei der Wasserstoff zu Energie wird, ist noch nicht aus dem Rennen.