Viele neue Stadtflitzer im Autofrühling 2014
Wolfsburg/Paris (dpa/tmn) - Kleines Format, große Unterschiede: Selten gab es so viele verschiedene neue Kleinwagen wie in diesem Autofrühling. Der Bogen spannt sich vom Preisbrecher bis zum Premium-Modell, von Lowtec bis Lifestyle.
Grund sind auch die CO2-Grenzwerte.
„Kleinwagen haben sowohl für Volumen- als auch Premiumhersteller eine wachsende Bedeutung“, erklärt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach die Modellfülle in diesem Autofrühling. Doch auch wenn die Maße schrumpfen und die Motoren etwas weniger Kraft haben: Viele technologische Errungenschaften aus höheren Klassen stehen mittlerweile auch bei den Kleinsten zur Wahl.
Beispiel VW Polo: „Klein ist an diesem Auto nur noch das Format“, sagt VW-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer mit Blick auf Extras wie automatische Abstandsregelung, serienmäßige Müdigkeitserkennung oder die Multikollisionsbremse, die mit der Modellpflege Einzug halten. Der Polo kommt nach seiner Publikumspremiere auf dem Genfer Autosalon (Publikumstage: 6. bis 16. März) in den Handel. Am Design hat sich kaum etwas geändert, dafür wurde die Motorenpalette laut VW komplett erneuert. Die Aggregate decken eine Leistungsspanne von 44 kW/60 PS bis 141 kW/192 PS ab. Der Verbrauch sinkt laut VW um bis zu 21 Prozent, der Grundpreis von 12 450 Euro bleibt.
Wie früher noch beim Kleinwagen die Regel, muss man sich auch beim Mini längst nicht mehr in Enthaltsamkeit üben. Für den Stadtfloh wurden bis dato laut BMW oft mehr Extras bestellt als für den 1er oder 3er - und jetzt gibt es in der Ausstattungsliste noch mehr Optionen zum Ankreuzen: Wer vom LED-Scheinwerfer über den Einparkautomaten bis hin zum Head-up-Display alles mitnimmt und auch noch den stärksten der zunächst drei verfügbaren Motoren (85 kW/116 PS bis 141 kW/192 PS) bestellt, kommt allerdings schnell auf mehr als 40 000 Euro. Der Basispreis liegt zunächst bei 19 700 Euro, Markstart ist im April.
Das Design ist unverwechselbar und das Go-Kart-Gefühl am Steuer vertraut. Aber sonst gibt es nicht mehr viel, was der Mini mit seinem Vorgänger gemein hat, sagt Pressesprecher Andreas Lampka. Der neue Mini steht nach seinen Angaben auf einer neuen Plattform, die er sich genau wie die Motoren künftig mit einigen BMW-Modellen unterhalb des 3ers teilen wird.
Während BMW mit dem neuen Mini die trendige Großstadt-Kundschaft erreichen will, zeigt Audi in diesem Frühjahr, dass ein Kleinwagen auch jede Menge Kraft haben kann. Mit dem S1 bieten die Bayern zum ersten Mal ein Sportmodell in ihrer Einstiegsbaureihe an. Bis zu 250 km/h schnell und 170 kW/231 PS stark, kommt der Audi S1 im zweiten Quartal zu Preisen ab 29 950 Euro in den Handel.
Auch beim Opel Adam geht die Entwicklung in Richtung mehr Fahrspaß: Dafür sorgen soll ein neuer Dreizylinder-Turbo mit 85 kW/115 PS. Und eine zweite Karosserievariante soll die ohnehin schon üppige Auswahl an Farben und Formen vergrößern. Ab Sommer gibt es den Adam auch in der Variante Rocks mit etwas mehr Bodenfreiheit und robusten Anbauteilen im Offroad-Look sowie einem Faltverdeck.
Für die preisbewusstere Kundschaft bringt der Autofrühling zum Beispiel den neuen Suzuki Celerio. Kein anderer Hersteller baut weltweit so viele Kleinstwagen wie das japanische Unternehmen, nun füttert die Firma ihr Europa-Programm weiter an und stellt dem Alto den etwas geräumigeren Bruder zur Seite. Und wer lieber bei einem europäischen Hersteller kaufen möchte, kann ab Sommer zum aufgefrischten Fiat 500 mit neuen Motoren greifen.
Dass die Hersteller sich in Sachen Kleinwagen so breit aufstellen, hat indes einen unternehmerischen Grund: Bei kleinen Modellen komme man allgemein kaum auf eine vernünftige Rendite, sagt Bratzel. Deshalb täten die Hersteller alles, um die Stückzahlen in die Höhe zu treiben. Weitere Einsparungen erzielen die Autobauer durch Plattformstrategien. So rückt der Mini technisch immer näher an die BMW-Familie und teilt sich mit kommenden Fahrzeuggenerationen Plattformen und Motoren. Und der VW-Konzern bedient sich für den Polo oder Audi S1 aus großen Baukästen und wälzt die Kosten auf mehrere Konzernmarken ab.
Üblich sind auch Kooperationen mit der Konkurrenz. So bauen Toyota und die beiden PSA-Konzernmarken Citroën und Peugeot einen Kleinstwagen, der jetzt ebenfalls in die zweite Runde geht. Bei den Japanern heißt der Wagen weiter Aygo, bei Citroën C1, und bei Peugeot heißt der 107-Nachfolger nun 108. Anders als früher sollen sich die Drillinge optisch deutlicher unterscheiden.
Das japanisch-französische Trio aus der Fabrik in Frankreich ist aber nicht der einzige Familienverbund. Auch Mercedes und Renault arbeiten für die Entwicklung eines neuen Kleinwagens zusammen. Bei den Franzosen wird daraus der neue Twingo, der auf dem Genfer Salon enthüllt wird. Die Schwaben bauen auf der gemeinsamen Plattform den Nachfolger des Smart, der nach Angaben des Unternehmens im Sommer zu sehen sein wird.
Die Zusammenarbeit bringt für beide Fahrzeuge allerdings gravierende Änderungen: Mit Rücksicht auf den Smart wird auch der Twingo zum Hecktriebler, und mit Hilfe der größeren Stückzahlen können sich die Deutschen das Comeback eines Viertürers leisten. Obwohl unter dem Blech identisch, werden die Autos nach Angaben eines Ingenieurs aus dem Projektteam aber einen ganz unterschiedlichen Charakter haben.
Dass die kleinen Autos gerade so groß im Kommen sind, hat für Automobilwirtschaftler Stefan Bratzel weitere Gründe. Es gehe den Herstellern um den Erhalt ihrer Marktanteile, die man in weitgehend gesättigten Märkten nur über Zweit- oder Drittwagen festigen könne. „Und da sind Kleinwagen die erste Wahl.“ Und zum anderen schaue jeder auf seine Klimabilanz: „Massenhersteller haben schon immer Kleinwagen gebaut. Aber in Zeiten strengerer CO2-Vorgaben werden die PS-Petitessen plötzlich auch für die Premiumhersteller attraktiv.“