Winzigkeiten gegen den Wind - Aerodynamik von Autos wird wichtiger

Stuttgart/Wolfsburg (dpa/tmn) - Hier ein kleiner Spoiler, da eine zusätzliche Blechfalte, dort eine Verkleidung: Mit Engagement kämpfen die Entwickler für einen geringen Luftwiderstand. Denn je windschnittiger das Auto, desto niedriger der Verbrauch.

Sie ringen um jedes Tausendstel hinter dem Komma: Nachdem die Autohersteller in den vergangenen Jahren vor allem gegen das Übergewicht ihrer Modelle gekämpft haben, arbeiten sie jetzt verstärkt am cw-Wert. Denn zusammen mit der Stirnfläche eines Autos definiert er dessen Luftwiderstand. Und je geringer der ist, desto weniger Kraftstoff verbraucht ein Auto. Der Clou an der Sache: Optimierungen im Kampf gegen den Wind können vergleichsweise kostengünstig umgesetzt werden.

„Je geringer der cw-Wert, desto niedriger ist auch der CO2-Ausstoß“, sagt Prof. Jochen Wiedemann vom Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren in Stuttgart (FKFS). Und Teddy Woll, der bei Mercedes in Stuttgart die Aerodynamik-Entwicklung leitet, meint: „Eine Verbesserung des cw-Wertes um 0,01 bedeutet im Prüfzyklus ein Gramm CO2 weniger pro Kilometer.“ Für den im Alltag höheren Verbrauch bedeutet das: Auch die Einsparung an CO2 steigt - in diesem Beispiel auf rund zwei Gramm. Und weil der Einfluss des cw-Wertes mit der Geschwindigkeit zunehme, klettere die Einsparung bei Tempo 150 sogar auf fünf Gramm weniger CO2, so Woll.

Was im Kampf gegen den Fahrtwind möglich ist, zeigt etwa der VW XL1. Mit einem cw-Wert von 0,189 ist das Ein-Liter-Auto laut Hersteller das aktuell strömungsgünstigste Fahrzeug auf dem Markt, wenngleich es nur in einer Kleinserie gefertigt wird. Die Niedersachsen haben eine flache und schlanke Karosserieform gewählt, die sich nach hinten verjüngt. „Wir haben an jedem Detail gefeilt“, sagt Steven Volckaert aus der VW-Entwicklung. Jede Karosseriefuge wurde geschlossen, der Unterboden verkleidet. Die Außenspiegel ersetzen kleine Videokameras. „Das allein spart einen Zehntelliter.“

Strömungsgünstig sind beim XL1 auch die Deckel auf den hinteren Radkästen, unter denen nur noch ein paar Zentimeter des Reifens hervorschauen. Weil das allerdings Probleme bei der Kühlung der Bremsen aufwirft und bei einer Reifenpanne nicht sonderlich praktisch ist, haben sich in der Großserie Alternativen etabliert.

So hat Mercedes das „aerodynamisch optimierte Radhaus“ erfunden. Es ist laut Chef-Aerodynamiker Woll ein Grund dafür, dass der neue CLA auf einen cw-Wert von bestenfalls 0,22 kommt und damit derzeit Rekordhalter unter den Großserienfahrzeugen ist. Den größten Effekt hat dabei ein vergleichsweise unscheinbares Bauteil: der gezackte Radspoiler. Die am Unterboden vor den Rädern montierte Kunststofflippe vermindert störende Verwirbelungen in den Radhäusern - indem sie zum Beispiel den Luftstrom von den Rädern ablenkt.

Ebenfalls gegen die störenden Verwirbelungen im Radkasten gedacht sind „Air Curtain“ und „Air Breather“, die in immer mehr BMW-Modellen Einzug halten. Der „Air Curtain“ ist ein Vorhang aus Luft, der durch Schlitze im Stoßfänger entsteht und sich vor das Rad legt. Und als „Air Breather“ bezeichnen die Bayern jenen Blechschlitz im Kotflügel, durch den Luft aus dem Radkasten herausgeleitet wird. „Beginnend mit dem 3er GT bringen wir das jetzt bei vielen Modellen“, sagt Designchef Adrian van Hooydonk.

Noch einen Schritt weiter geht Ford bei der Pick-up-Studie Atlas: Dort haben die Felgen bewegliche Klappen, die die Schlitze zwischen den Speichen verschließen, wenn keine Kühlung der Bremsen nötig ist. Das sei zwar ein guter Ansatz, lobt Prof. Wiedemann. Eine schnelle Serienumsetzung ist aus Kostengründen aber unwahrscheinlich. Auch gilt es noch technische Probleme zu lösen, die durch Schmutz und Schnee entstehen.

„Aber so weit muss man auch gar nicht gehen“, sagt der Experte: Schon mit der Wahl des Reifens könnten deutliche Verbesserungen beim cw-Wert erreicht werden. Untersuchungen seines Instituts hätten bei identischen Dimensionen allein durch die Gestaltung von Profil und Flanke Unterschiede beim cw-Wert von mehr als 0,01 belegt.

Dass die Aerodynamiker bei den Autobauern mit ihren Ideen mehr Gehör finden als früher, hat laut Wiedemann einen einfachen Grund: „Ihre Lösungsansätze versprechen eine große Wirkung und sind vergleichsweise günstig umzusetzen“, sagt er mit Blick auf Alternativen wie Leichtbau-Karosserien oder Hybrid- und Elektroantriebe.

Ein Beispiel: 10 Prozent weniger Fahrzeuggewicht bringen laut Wiedemann im Normzyklus 6 bis 7 Prozent weniger CO2-Ausstoß. Bei einem Kompaktwagen wäre das ein Gewichtsverlust von mehr als 100 Kilogramm, der nur mit Investitionen von rund 1000 Euro pro Fahrzeug zu erreichen sei. Um den gleichen Effekt mit Hilfe der Aerodynamik zu erzielen, müsse der cw-Wert zwar um 20 Prozent gesenkt werden, so Wiedemann. Doch das koste nicht einmal die Hälfte, weil man dafür nur Kunststoffverkleidungen, Spoiler und einfache Formänderungen brauche. Mercedes-Mitarbeiter Woll wird noch deutlicher: „Eine strömungsgünstige Form kostet keinen Cent mehr als eine ungünstige. Billiger kann man deshalb kein CO2 sparen.“